Sommersemester 2010

Flugblätter

Zeitung zum Semesteranfang Sommersemester 2010

Ein Vorschlag:
Unter sich keinen Sklaven und über sich keinen Herrn

„SPIEGEL: Herr Heitmeyer, wie fühlen sich die Deutschen mitten in der Krise?
Heitmeyer: Vier von fünf sind der Ansicht, ›die Wirtschaftskrise müssen am Ende Leute wie ich ausbaden‹, und sie haben damit wohl recht. Von der Finanzkrise waren unmittelbar nur ein paar Banker betroffen und Leute, die bei Pleite-Instituten Geld angelegt haben. Die Wirtschaftskrise spüren schon sehr viel mehr Menschen. Eine Million Beschäftigte sind in Kurzarbeit, und die Angst, arbeitslos zu werden, frisst sich durch die Gesellschaft.“

Wilhelm Heitmeyer, Soziologe und Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Uni Bielefeld zur alljährlichen Untersuchung des Instituts bezüglich der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Einstellungen der Bevölkerung, „SPIEGEL“ 14/2010.

 

„Wir haben nunmehr vier Prinzipien der Moral:
1. Ein philosophisches: Tue das Gute um seiner selbst willen, aus Achtung fürs Gesetz.
2. Ein religiöses: Tue es darum, weil es Gottes Wille ist, aus Liebe zu Gott.
3. Ein menschliches: Tue es, weil es deine Glückseligkeit befördert, aus Selbstliebe.
4. Ein politisches: Tue es, weil es die Wohlfahrt der großen Gesellschaft befördert, von der du ein Teil bist, aus Liebe zur Gesellschaft, mit Rücksicht auf dich...
Sollte dieses nicht alles dasselbe Prinzip sein, nur von andern Seiten angesehn?...“

Georg Christoph Lichtenberg, „Einfälle und Bemerkungen“, Heft L, 1769-1799.

Die Verunsicherung in der Krise ist groß. Gut 90 Prozent der repräsentativ Befragten erwarten eine Zunahme von Armut und sozialem Abstieg. Fast ebenso viele Menschen sind wütend über die finanziellen Auswirkungen der globalen und gesellschaftlichen Krise und darüber, daß politisch nicht genügend (wirksam) gegengesteuert wird. Diese tiefgreifende Verärgerung findet aber keine Richtung bzw. Adressaten, weshalb Heitmeyer von „wutgetränkter Apathie“ spricht.

Diese Ungeklärtheit befördert die Orientierung des Unmuts auf Sündenböcke. Diese werden gefunden in Langzeiterwerbslosen und auch Menschen, die vermeintlich den Sozialstaat ausnutzten. Außerdem würden Mitmenschen zunehmend nach ihrer unmittelbaren Nützlichkeit bewertet („auch abgewertet“).

Heitmeyer: „Der autoritäre Kapitalismus hat es geschafft, seine Verwertungskriterien ohne Widerstand der ganzen Gesellschaft überzustülpen.“ Weiter: „Ja, viele Menschen sind enttäuscht von der Politik. Sie merken, dass die Demokratie die Kontrolle verliert gegenüber dem Kapital, das wiederum die Kontrolle gewinnt und gnadenlos ausübt.“

An dieser Stelle sind nur sozial vernünftige Schlußfolgerungen naheliegend: Mensch nenne das allen gemäße (s.o.: Lichtenberg) Freude, Fairneß, Kooperation, Wohlfahrt, das In-den-Spiegel-gucken-können, Solidarität, Gerechtigkeit, Menschenwürde, Frieden, demokratische Teilhabe, Rückeroberung des Sozialen und der Politik – die Häute der Verwertung sind abzustreifen. Der gestaute Unmut braucht eine verantwortliche Richtung. Die Verdinglichung des Menschen schadet allen, die darauf hereinfallen. Sind die Sündenböcke in die Wüste geschickt, bleibt alles so bescheiden, wie es ist. Die Gesellschaft ist so, wie wir sie machen. Das gilt beispielsweise auch für die Studiengebühren.

Nichts ist zu bewegen ohne Bewegung. Das beste Mittel gegen Angstfraß ist kritische Vernunft und den Einsichten auch Taten folgen zu lassen.

Wie alles – dies fängt im Kopfe an.

BaMa:
Work hard – and feel free?

„Sie haben jetzt die Wahl: Will ich schnell in den Beruf? Studiere ich sofort weiter? Komme ich nach ein paar Jahren im Beruf an die Universität zurück? Zudem besteht jetzt die Möglichkeit, sich nach dem Bachelor fachlich neu zu orientieren. Wer Biologie studiert hat, kann einen Master in Personalmanagement belegen.“

Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), im Interview mit „Frankfurter Allgemeine/hochschulanzeiger/KARRIERE STUDIEREN“, April 2010, S. 14. Sie antwortet auf die Frage, was durch die „Reform“ eindeutig besser geworden sei.

 

„Hochschulen und Unternehmen müssen intensiv zusammenarbeiten, um Studiengänge arbeitsmarktrelevant weiterzuentwickeln und dadurch die Beschäftigungsfähigkeit der Absolventen zu sichern und zu verbessern.“ (...)
„Berufsfeldorientierung muss ein leitendes Prinzip der Studiengangsgestaltung auf allen Studienstufen und in allen Studienfächern sein.“ (...)
„Im Rahmen der Akkreditierung müssen Hochschulen für alle ihre Bachelor- und Masterstudiengänge nachweisen, dass sie zu berufsqualifizierenden Abschlüssen führen.“

„Bachelor Welcome/Nachhaltiges Ja der Wirtschaft zum Bachelor“, Erklärung von Unternehmen, die auf Einladung der Unternehmensverbände BDA und BDI sowie des Stifterverbandes zur Sicherung des Nachwuchses (hier besonders: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) am 20. Juni 2008 zusammenkamen.

Mit einer rosa gefärbten Brille sieht die Welt gewiß viel schöner aus: Frau Wintermantel meint, hinter das Hamsterrad von Bachelor und Master gebe es kein Zurück.

Man müsse die sogenannte Bologna-Reform zum Erfolg führen. Sie sieht auch Mängel: Die „Reform“ sei nicht finanziert und auch nicht gut kommuniziert worden. Ebenso solle man die Anerkennung von „Leistungen“ im Ausland liberaler handhaben. Bei den hohen Arbeitsbelastungen solle man sich nicht so sehr anstellen: „Nicht immer sind die Vorwürfe berechtigt. In einem Studium muss nun mal konzentriert gearbeitet werden.“ (Was macht die Frau eigentlich den lieben langen Tag?)

Mit diesen lockeren Ansichten befindet sich die Präsidentin der HRK voll im Einklang mit den Forderungen der Unternehmensverbände (s.o.).

Die begründeten studentischen Proteste gegen den desaströsen Bologna-Prozeß – von Wien bis Warnemünde (Rostock) – hat allerdings geeint, daß die wissenschaftliche Ausbildung an den Hochschulen von der Ausbildung zur Bildung zurückkehren müsse.

Denn offenkundig ist nicht nur, daß die konservativen oder liberalen bzw. unternehmerischen Forderungen an das neue System (Vergleichbarkeit, Studierbarkeit, Arbeitsplatzfindung, geringere Abbrecherquote) rein gar nicht erfüllt werden, sondern daß erst recht vernünftige humane Maßstäbe wie mündige Persönlichkeiten, kooperatives Lernen, die Vertiefung relevanter Themen, gesellschaftliche Verantwortung statt betriebswirtschaftliche Kurzlösungen, entsprechende Interdisziplinarität, Grundlagenwissen, hochschulpolitisches Engagement weitgehend auf der Strecke bleiben. Da liegt sie nun, die Wissenschaft.

Daher muß jede „Reform der Reform“, die auch nur annähernd diesen Namen verdienen will, sich diesen Problemen stellen, um kultivierte Vernunft wieder zu erlangen.

Das Mindeste ist: Der Master muß zum Regelabschluß werden und alle Restriktionen müssen weichen.

So kehren wir wieder zur Bildung zurück – was ein Fortschritt ist. Dann können auch wieder Bücher im Original gelesen werden.

50 Jahre Kampf für Frieden und Abrüstung

„ATOM
Als es den Erbärmlichen nicht gelungen war
Einen einzigen Fehler in ihren Formeln zu machen
Erhob sich, heißt es, eine Wolke“

Bert Brecht, 1949

„Wir begründen unseren Widerstand wie folgt:
Wir sehen uns vor unserem Gewissen verpflichtet, mit allen uns zur Verfügung stehenden friedlichen Mitteln jede Politik der Gewalt (deren äußerstes Zeichen die Atombombe darstellt!) zu bekämpfen, weil durch sie nicht nur die Menschheit schlechthin in ihrem Bestand gefährdet ist, sondern auch der einzelne Mensch auf Grund der Menschenverachtung der Regierungen entmündigt und entwürdigt wird. “

Grundsätze des Ostermarsches der Atomwaffengegner, 1962.

50 Jahre nach dem ersten Ostermarsch – der übrigens in der BRD in Hamburg ins Leben gerufen wurde – steht die Menschheit immer noch unter dem Damoklesschwert des mehrfachen atomaren overkills. Die Atomwaffenarsenale der Welt haben heute eine Gesamtsprengkraft von rund 7.500 Megatonnen, auf die Weltbevölkerung aufgeteilt entspricht dies einer Sprengkraft von über einer Tonne TNT pro Person. Die Welt ist nach dem Ende des Kalten Krieges noch kriegerischer geworden und der „begrenzte“ Einsatz von Atomwaffen durch „mini-nukes“ technisch möglich bzw. politisch wahrscheinlicher geworden.

Vor einem Jahr sprach der frisch gewählte US-Präsident Obama in Prag von der Vision einer atomwaffenfreien Welt und erregte damit viel Aufsehen. Von den Rechten wurde er dafür als naiv beschimpft, von Linken als unglaubwürdig. Auf einem Gipfeltreffen am 8. April dieses Jahres soll nun tatsächlich ein umfassendes Abkommen zwischen den USA und Rußland unterzeichnet werden, das die Anzahl der Atomsprengköpfe und die Trägersysteme um etwa ein Drittel reduzieren soll. Mit dieser Fortführung der START-Verträge aus den 90er Jahren soll das gewaltige Arsenal verringert und modernisiert sowie andere Staaten vom Bau von Atomwaffen abgehalten werden. Das bemerkenswert Positive dabei ist, daß erkannt wird, daß die großen Atommächte den ersten Schritt tun müssen. Dieser Schritt ist als politisches Symbol und als Ergebnis der Aufklärungsarbeit der Friedensbewegung hoch zu bewerten. (Die nukleare Abschreckung und die Erstschlagdoktrin bleiben dagegen erhalten und der Iran weiter bedroht.) Eine weiter reichende Abrüstung haben konservative Republikaner und die mächtige Atomlobby in den USA zunächst verhindert. Hier ist also weiter nachzusetzen.

Auch der Bundestag hat sich jüngst mit großer Mehrheit für den Abzug der noch verbliebenen US-Atomwaffen aus der Bundesrepublik ausgesprochen (nur wenn der große Bündnispartner USA damit einverstanden ist, versteht sich). In einem überparteilichen Antrag wurde die Bundesregierung aufgefordert, sich in der NATO „mit Nachdruck“ dafür einzusetzen. An dem „Recht“, zuerst zuschlagen zu dürfen, wurde darin jedoch auch festgehalten, so daß die LINKE dem nicht zustimmen konnte.

Abrüstung steht auf der Tagesordnung der Menschheit. Um die Welt von dem enormen Destruktionspotential der Atomwaffen, das Wissenschaft und Produktion, die Politik, die internationalen Beziehungen und das gesamte menschliche Zusammenleben deformieren, gänzlich zu befreien, ist also weiterhin der unbeirrte Einsatz aller wahrhaft vernünftigen Menschen erforderlich. Auf Regierungen ist mal mehr, mal weniger – meist weniger – Verlaß. Das größte Verdienst der Ostermarschbewegung war die Schaffung der ersten breiten außerparlamentarischen Opposition in der Bundesrepublik, was auch Vorbild anderer sozialer Bewegungen wurde. Das Engagement für atomare und allgemeine Abrüstung, Stopp aller Rüstungsproduktion und -export, für Konversion in zivile, sinnvolle Produktion, Friedensforschung und Friedenserziehung sowie soziale Lebensbedingungen ist höchst aktuell und lebendig. Alles Gute kommt nicht von allein.

Statt des Krieges kann die Wissenschaft den Frieden berechnen.

Auch der nächste AStA sollte sich wissenschafts- und friedenspolitisch für diese Ziele einsetzen.

Die Liste Links trifft sich Freitags, 15 Uhr,
im studentischen Café der Erziehungswissenschaft.
(Im Souterrain des schwarzen Würfels)

Boxen führt zu nichts
Ein Standpunkt mit Perspektive

„Ein guter Arbeitstag beginnt mit... Training. Die Zeit vergesse ich, wenn... ich richtig Spaß habe. Wer es in meinem Geschäft zu etwas bringen will, der... muss schwitzen. Erfolg feiere ich... mit Freunden. Es bringt mich auf die Palme, ... wenn die Leute lügen. Mit 18 Jahren wollte ich... Pilot werden. Im Rückblick würde ich nicht noch einmal... - ein Champion blickt nicht zurück. Geld macht mich... sicher. Rat suche ich... bei meinem Bruder. Familie und Beruf sind... Feinde. Den Kindern rate ich... fleißig zu sein. Mein Weg führt mich... zum Erfolg.“

Der Boxer Vitali Klitschko in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“), 31.10./1.11.'09, in der Rubrik „Beruf und Chance“, S. C3.

 

„Der Klapperstorch hat krumme Beine.
Die Kinder werfen ihn mit Steine.
Aber Kinder bringt er keine.“

Joachim Ringelnatz.

Bücher
„Wenn der Mensch
von den Umständen
gebildet wird, so muß
man die Umstände
menschlich bilden.“

Karl Marx/Friedrich Engels,
„Die heilige Familie“
1844/45, MEW 2, S.138.

Vom Boxen haben wir nun genug; eine andere Kultur muß her...

Das Regiment von Wissenschaftsmanager Jörg Dräger und der Kommandantin Monika Auweter-Kurtz hat mit Unterfinanzierung, Hochschulrat, Ba/Ma (+ STiNE) und Studiengebühren etc. viel soziales und kulturelles Unheil an den Hochschulen angerichtet.

Dieses Unheil muß in Geist und Tat wieder beseitigt werden: Bildung soll sozial offen und demokratisch gestaltet werden; Wissenschaft sei Wahrheitsfindung und Aufklärung, Problemlösung als persönliche Mündigkeit – Freude.

Die Hochschulen sind ein gesellschaftliches Politikum. So oder so.

Wir sind an einem Wendepunkt angekommen, wo Frieden, sozialer Fortschritt und allgemeine Emanzipation wieder verwirklicht werden müssen.

Ein solches Verständnis war konstitutiv für die Gründung der Liste LINKS 1993. Durch Solidarität ist eine bessere Welt.

Wir arbeiten zusammen mit anderen fortschrittlichen Gruppierungen in den Gremien der studentischen Interessenvertretung, in der Akademischen Selbstverwaltung und in außerparlamentarischen Bewegungen: in Fachschaftsräten, in der Fachschaftsrätekonferenz, im Studierendenparlament, in Fakultätsräten, in der Friedensbewegung, in Bündnissen gegen Neofaschismus, in Aktivitäten gegen Sozialabbau. Wir sind bundesweit als Gründungsmitglied im Hochschulgruppenverband Die Linke.SDS organisiert.

Dieses Engagement begreifen wir als alltägliche und sehr menschliche Angelegenheit. Allseitige Emanzipation sei erstes Bedürfnis. Dem sollte sich niemand auf Dauer entziehen.

„Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?“

Bertolt Brecht, „Lob der Dialektik“, 1934.

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Spieglein, Spieglein an der Wand:
Wer sind die Begabtesten im ganzen Land?
Eine Erdung

„Ein Dutzend Stiftungen in Deutschland spendieren Stipendien für besonders Begabte. Etwa einer von hundert Studenten profitiert davon. Wer aufgenommen ist, erhält meist ein Büchergeld von derzeit 80 Euro monatlich zusätzlich zu dem ihm zustehenden Bafög-Satz. Vor allem aber kann er in erlesenem Kreise teilnehmen an allerlei workshops, Akademien, Sprachkursen oder Berufsseminaren.“

Johann Grolle, „Inzucht der Eliten“, „Uni-SPIEGEL“, April 2010, S. 9.
Der Autor war Stipendiat der „Studienstiftung des deutschen Volkes“ und ist Leiter des Wissenschaftsressorts im „SPIEGEL“.

 

„Und wenn jeder im Volke in den Stand versetzt ist, sich alle beliebigen Kenntnisse zu erwerben, werdet ihr auch bald ein intelligentes Volk sehen.“

Heinrich Heine, „Geständnisse“, 1854.
Der Autor war ein engagierter Humanist.

Die Kinder von Aktienbesitzern werden in der Regel irgendwann selbst zu Aktienbesitzern.

Verwandt und ähnlich verhält es sich mit den Kindern von Managern, Professoren, Ärzten, Richtern, Rechtsanwälten und manchmal auch wohlbestallten Journalisten: Von Haus aus sind soziale und kulturelle Voraussetzungen geschaffen, daß die Kinder einen Bildungsweg gehen, der sie zur gesellschaftlichen Stellung von Managern, Professoren usw. führt.

Diese Tatsache ist in PISA- oder OECD-Studien mehrfach kritisch – insbesondere für die Bundesrepublik Deutschland – ermittelt und artikuliert worden.

Von konservativer oder unaufgeklärter Seite wird dieser gesellschaftliche Zusammenhang von Besitz, Stellung und Bildung – auch umgekehrt – „Begabung“ oder „Leistung“ genannt. Intelligenz bringe Intelligenz hervor. Irgendetwas scheint hier lediglich „angeboren“.

Da eine weit entwickelte Industriegesellschaft nicht allein von einer wissenschaftlich gebildeten kleinen „Elite“ organisiert, verwaltet, begründet und weiterentwickelt werden kann, hat die Bewegung von 68 – nach der Lüftung des „Muff(s) von tausend Jahren“ – zu einer sozialen und demokratischen Öffnung der Hochschulen geführt. Verbunden mit dieser Bewegung waren auch friedenspolitisches sowie antifaschistisches Engagement bzw. kritische Lehrinhalte und kooperative Lehr- und Lehrformen in der gesellschaftlichen Bildung.

Die „Reformen“ (z.B. Studiengebühren, BaMa, Fakultäten, Dekane) der letzten Jahre hingegen tragen restaurativen Charakter.

Das ist mit aller Wucht des Dogmatismus in der bildungspolitischen Sackgasse gelandet.

Aus dieser beengten Lage ist sich deshalb nur zu befreien, wenn die alten Häute abgestreift werden.

Gesellschaft, Bildung und Kultur – also die Menschen – bedürfen eines neuen Aufbruchs für Aufklärung und Emanzipation.

Die Mißlichkeiten der Welt sind kein Naturkreislauf.

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Guido, der Tugendwächter
oder
Die Freiheit des Blödsinns

„Es geht um die Frage, welche Geisteshaltung Deutschland prägen soll. Soll es eine Geisteshaltung der Staatsgläubigkeit sein, die jeden Bürger bevormundet, oder wollen wir uns auf die Tugenden besinnen, die Deutschland stark gemacht haben, auf Freiheit, auf Verantwortung, auf Leistungsbereitschaft?“

Guido Westerwelle, FDP-Vorsitzender und Bundesaußenminister, auf dem FDP-Parteitag am 21. April in Köln.

 

„Der Wohlstand eines Landes beruht auf seiner aktiven und passiven Handelsbilanz, auf seinen innern und äußern Anleihen sowie auf dem Unterschied zwischen dem Giro des Wechselagios und dem Zinsfuß der Lombardkredite; bei Regenwetter ist das umgekehrt.“

Kurt Tucholsky, „Kurzer Abriß der Nationalökonomie“, 1931.

Seit wann gehört die „Freiheit“ zu den Tugenden?

Zu den großen Tugenden lassen sich seit Menschengedenken beispielsweise Weisheit, Klugheit, Gerechtigkeit und Nächstenliebe zählen.

Die kleinen Tugenden oder Nickeligkeiten, die ja immer noch in den Herbergsordnungen stehen, sind unter anderem Pünktlichkeit, Sauberkeit und Ordnungsliebe. Die aber haben allerdings wenig mit Freiheit irgendeiner Art zu tun. Darüber wache der Herbergsvater.

Außerdem geht es Herrn Westerwelle ja wesentlich um das, was „Deutschland stark gemacht“ hat.

Zu diesen scheinbaren Tugenden mögen gehören: die uneingeschränkte Kriegsbereitschaft, die dynamische Lohnsenkungsfreude, eine natürliche Abneigung gegen Sozialleistungen aller Art, die angeborene Feindschaft gegen den Nächsten, die Freude an großen Spekulationen sowie Steuerhinterziehungen, die spontane Scheu vor der Wahrheit und die Haltung, diejenigen, die schon unten sind, noch einmal runterzuputzen. Das beinhaltet die „neue Geisteshaltung“, die vom Vorsitzenden der aktuellen Liberalen propagiert wird. (Damit ist der Liberalismus ganz schön auf den geprügelten Hund gekommen.)

Die Freiheit von Krieg, Elend, Not und Unwahrheit steht hingegen auf einem ganz anderen Blatt.

Die „Geisteshaltung“, mit der diese Seite beschrieben ist, ist eine solidarische. Zur gegenseitigen Freude.

Die Praxis, mit der diese Orientierung vertreten wird, ist kritisch. Zum allgemeinen Nutzen.

Die gesellschaftliche Welt, in der wir zu leben die Ehre haben, ist weder frei, noch sozial, noch wirklich vernünftig.

(In diesem Sinne ist auch der Einbruch in eine Bank weniger zu verurteilen als die horrenden Geschäfte derselben.)

Der 1. Mai bietet die Möglichkeit, für eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse in die Öffentlichkeit zu treten.

1. Mai - Demonstration

Samstag, der 1. Mai

Demobeginn: 11 Uhr,
ab Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof

Abschlußkundgebung: 13 Uhr,
U/S- Barmbek, Museum der Arbeit

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Gemeinsames Flugblatt des Bündnis für Aufklärung und Emanzipation!:
FachschaftsBündnis, harte zeiten und Liste LINKS

Tragödie, Farce – und nun? Hamburg braucht mindestens eine neue Wissenschaftssenatorin

„Die Welt: Diejenigen, die die Uni in Eimsbüttel nicht angetastet haben wollen, bilden doch eine starke Mauer.
Gundelach: Ja, aber meine politische Erfahrung zeigt mir, dass Menschen, die mit möglichen Veränderungen nicht einverstanden sind, sich immer stärker artikulieren, als diejenigen, die die Veränderung positiv sehen. Die Fokussierung auf eine stadtentwicklungspolitische Diskussion hat der Debatte insgesamt nicht gutgetan. Ich hätte mich gefreut, wenn mehr über die Belange von Wissenschaft diskutiert worden wäre.“

Herlind Gundelach in: Die Welt, „Uni und TU Harburg sollen enger kooperieren“, 12. April 2010.

 

„Die Politik aber ist ein Gewerbe, wie jedes andre auch. Die modernen Staatsmänner drücken den Gesamtwillen ihres Landes nur insofern aus, als die Bürger ihren Beauftragten zwischen der speziellen Delegierung und dem Augenblick, wo der öffentliche Protest eine Regierung hinwegfegt, auf dem breiten Spielraum jede Betätigung nach dem Trägheitsgesetz erlauben.“

Kurt Tucholsky, „Zwischen zwei Kriegen“, Paris, 5. Februar 1925.

Wenn die Senatorin nach öffentlicher Veranstaltung einen Wein trinkt, erzählt sie von Helmut Kohl. Die trübe Hoffnung auf eine phlegmatische Ordnung (Macht, Hierarchie und Heimat) ist unverkennbar. Aussitzen gilt als Mittel der Politik. Von notwendigen Kenntnissen über die sozialen und wissenschaftlichen Belange der Universitätsmitglieder oder der realen baulichen Qualität und den künftigen Erfordernissen ist diese Haltung weit entfernt.

Das zeigte auch ihr blasser Vortrag jüngst vor der Universitätsgesellschaft:

Die Demokratisierung der Universität als Konsequenz aus dem Desaster mangelnder kooperativer Selbstverwaltung und der autoritären Präsidentin Auweter-Kurtz fand nur auf Nachfrage Erwähnung, obgleich eine Novelle des Hochschulgesetzes für den Sommer angekündigt ist. (Der handlungsunfähige und wissenschaftsfremde Hochschulrat sowie die relative Machtfülle des Präsidiums bzw. der Dekane stehen scharf in der Kritik.)

Bachelor und Master hätten sich bewährt. Die bauliche Entwicklung solle wissenschaftsorientierter diskutiert werden. Die Studierenden hätten ihren Frieden mit den Gebühren gemacht, weil sie sie zahlten. – Pardon?

Hat ein Fußgänger mit dem Ziel, die Fahrbahn zu überqueren, kapituliert, nur weil er es nicht tut, solange sie stark befahren ist? Sind manipulierte Studien geschäftstüchtiger Berater zum ideologischen „Sprung über die Elbe“ wissenschaftspolitisch redlich? Ist ein legalisierter bzw. erzwungener Studienabbruch (Bachelor) ein bildungspolitischer Erfolg?

Die zahlreich engagierten Freunde und Mitglieder der Universitätsgesellschaft setzten dagegen ohne Ausnahme ihr Contra mit einer Vielzahl vernünftiger Forderungen für eine Humanisierung und demokratische Reform der Universität. Nun ist die Senatorin verstört.

Der nächste Akademische Senat (20. Mai 2010, 14 Uhr) wird ihr erneut Gelegenheit dazu geben, denn dort soll sich die Senatorin den Fragen und der Kritik des Gremiums stellen. (Die Sitzung ist universitätsöffentlich.) Auf Basis anschließender Diskussion soll eine Stellungnahme zur baulichen Entwicklung erarbeitet werden. Ein Bauausschuß, der dies vorbereitet, wurde endlich als ständiger Ausschuß des Akademischen Senats – gegen das Votum der Uni-Kanzlerin, die Demokratie für ineffizient („Ressourcenverschwendung“) hält – eingerichtet. Überhaupt: In der ersten Sitzung der neuen Legislatur näherte sich der AS wieder einer problemkritischen Diskussion an, die Leitung zeigte sich beweglicher. Trotzdem wurde der inthronisierte Präsident satirisch beklatscht.

Spürbar sitzt manchen Mitgliedern der Uni und des AS noch die autoritäre Geisterbahn in den Knochen. Bewegung (auch an frischer Luft) wird also gut tun. Eine befürwortende Resolution für eine antifaschistische Aktion („Bücherverbrennung – Nie wieder!“, siehe umseitig) konnte beschlossen werden. Die Studiengebühren werden weiter abgelehnt.

Vernünftig geht es doch am besten. Nur die, die aussitzen wollen, bleiben zurück.

- D O K U M E N T I E R T -
Beschluß des Akademischen Senats vom 15. April 2010

Lesen, Lernen, Eingreifen
Aufruf des Akademischen Senats der Universität Hamburg
Zur Erinnerung an die Bücherverbrennung: Nie wieder!

Am 15. Mai 1933 beteiligten sich auch Studenten der Universität Hamburg an der von den Nazis organisierten Verbrennung der wissenschaftlichen und literarischen Werke humanistischer Intellektueller.
Die primitive Aktion fanatischer Aufklärungsgegner war die brutale Verneinung einer demokratischen, gerechten und friedlichen Gesellschaft. Sie war der öffentliche Auftakt zur politischen, sozialen und physischen Verfolgung und Vernichtung von Menschen.

Nie wieder!

Die Werke der verfolgten Autorinnen und Autoren waren (und sind) eine Quelle und Gestalt antifaschistischen Widerstandes für eine menschenwürdige Weltgesellschaft. Gegen Verbrennung und Verfolgung wurde das Engagement für Wahrheit, Humanität, Frieden und Demokratie intensiviert. So wuchs gegen schlimmste Verfolgung und gegen Menschenverachtung das Potential der Befreiung.
Diese Werke fordern unsere Anteilnahme und zivil couragiertes Engagement.

Der Akademische Senat ruft deshalb alle Mitglieder Universität zur Teilnahme an der Veranstaltung auf:

„Bücherverbrennung – Nie wieder!“

Öffentliche Lesung aus Werken verfolgter Autorinnen und Autoren
Dienstag, 11. Mai 2010
11 Uhr bis 19 Uhr
Kaiser-Friedrich-Ufer/Platz der Bücherverbrennung

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Gemeinsames Flugblatt des Bündnis für Aufklärung und Emanzipation!:
FachschaftsBündnis, harte zeiten und Liste LINKS

Ökologisch-moralisches Establishment
oder
Emanzipation als kultureller Genuß

„Schwarz-Grün gibt das Lebensgefühl in den Großstädten wieder. Die Grünen haben ihre Wahlerfolge gerade in den bürgerlichen Gegenden. Die ökonomische Vernunft der Union und der ökologisch-moralische Impetus der Grünen passen gut zusammen.“

Ole v. Beust: „Ich füttere doch nicht die Wähler“, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 1.3.2010.

 

„Wer zu verzichten angefangen hat, ist auf Ungerechtigkeit festgelegt. Er muß dauernd neue Rechtfertigung für seinen Verzicht aus seiner Umwelt ziehen. Dahin ist die Ehrlichkeit.“

Christa Wolf, „Lesen und Schreiben“, 1968.

Wenn ein ängstlich saturierter Mittelstand „Vernunft“ und „Moral“ im Munde führt, ist Mißtrauen angebracht: „Konsumzurückhaltung“ und „Eigenverantwortung“ haben in Lurup noch immer eine andere Bedeutung als auf der Eppendorfer Landstraße.

Die sozialen Zumutungen durch den jetzigen Senat sind weitgehend dieselben wie bei seinen rechts-konservativen Vorgängern: Erhöhte Kita- und beibehaltene Studiengebühren, weitgehend nutzlose Millionengräber (Elbphilharmonie und U4, Tamm-Militaria-Museum), die Randexistenz des sozialen Wohnungsbaus sowie eine restriktive und zuweilen tödliche Innenpolitik (Brechmittel, Abschiebungen), die kapitalfromme Industriepolitik (Moorburg) und das (mühsam vertuschte) Desaster der HSH-Nordbank.

Das ist alles schlecht, teuer und rücksichtslos in Hinblick auf die Bevölkerung und das soziale und kulturelle Gedeihen der Stadt. Die unsägliche Verlängerung der Diskussion um eine (Teil-)Verlagerung der Universität fügt sich hier nahtlos ein. Sinnvoll wäre einzig, die hiesige Sanierung sofort zu beginnen. Gleichzeitig zu planen wäre, wie die Uni unter positiver Aufhebung ihres kulturellen Erbes und als Teil einer sozialen Stadtentwicklung erweitert werden kann.

Das flecktarnfarbene Regierungsbündnis hätte mittlerweile keine Chance auf eine Mandatsverlängerung – wäre am nächsten Sonntag Bürgerschaftswahl.

Die reiche Hansestadt ist in der Krise. Die Universität ist Objekt dieser falschen Politik. Bildung und Wissenschaft – als soziale Entfaltung – sind deshalb oppositionell gefordert: für integriertes Lernen ohne jede Diskriminierung und in jedem Alter; also für gebührenfreie Bildung, „Eine-Schule-für-Alle“ und eine emanzipatorische Lernkultur.

Gebraucht werden sinnvolle Antworten auf Fragen, die sehr praktisch sein können: Wie sind Kriege zu beenden und nicht wieder zu beginnen? Wie ist Energie verträglich zu gewinnen? Wie ist atomarer (Waffen-)Müll zu entsorgen? Und wie werden alle satt? Wie lernen alle Menschen das ABC?

Und, die Frage der Orientierung: Gibt es dafür Drittmittel?

Lösungen dafür sind auf keinem Exzellenzparcours und in keinem Assessment-Center zu finden.

Aber mit der Entscheidung für sozialen Menschenverstand – Neugier, Anteilnahme, Kooperationsfreude und Engagement – ist die Uni eine enorm praktische Einrichtung. Dafür muß allerdings, was besser werden soll, auch besser gemacht werden. Infragestellung.

Sitzung des Akademischen Senats

am 20. Mai 2010, um 14 Uhr,
im Flügel-West (ESA-W), Raum 221

In dieser Sitzung soll Wissenschaftssenatorin Gundelach dem AS zur Frage der baulichen Uni-Entwicklung Rede und Antwort stehen.

- D O K U M E N T I E R T -
Derzeit endet die Amtszeit von Uni-Vizepräsidentin Löschper (Struktur- und Entwicklungsplanung) und Vizepräsident Stiehl. Bis Juni sollen diese Ämter wiederbesetzt werden. Nach dem derzeitigen Hochschulgesetz hat dafür der Präsident das Vorschlagsrecht und der Akademische Senat muß die Vorgeschlagenen bestätigen. Aus Anlaß des gerade beginnenden Findungsverfahrens haben wir daher die nachfolgenden Kriterien aufgestellt:

Kriterien für die Findung der Vizepräsidenten/innen

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“

Immanuel Kant, „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“, 1784.

Die Vizepräsidenten/innen repräsentieren idealiter die aufgeklärten Prinzipien geschichtsbewußter, gruppenübergreifend demokratischer und international sozial verantwortlicher Selbstverwaltung der Universität nach Innen und nach Außen.
So war die Leitung des Konzils ihre Aufgabe und sollten sie hinkünftig für ein äquivalentes Universitätsforum eintreten.

Dem humanen Nutzen sollte in Forschung, Lehre, Studium und universitärer (Selbst-)Verwaltung immer der Vorzug gegenüber purem Prestige gegeben werden.
Die Vizepräsidenten/innen sollten sich daher auch für die Entfaltung des universitären Kooperationszusammenhangs in Eimsbüttel einsetzen.

In entwicklungsorientierter Zusammenarbeit mit allen Mitgliedern der Universität sind Benachteiligungen auszugleichen und Konkurrenzverhältnisse zu überschreiten.

Engagement für die Gebührenfreiheit des Lernens und die bedarfsgerechte öffentliche Finanzierung der Universität als Grundlagen allgemeinwohlorientierter Wissenschaft ist gefragt.

Die „Reform“ der Bologna-„Reform“ muß mit dem Ziel verbunden sein, Studium und Mitbestimmung erfreulich zu gestalten. Alle Restriktionen im Studium sollten als Hindernisse selbständiger wissenschaftlicher Praxis erkannt, kritisiert und überwunden werden. Das kooperative Lernen mit kritischem Gesellschaftsbezug sollte an Stelle des (selektierenden) Bewertungsmarathons gefördert werden.

Die Internationalität der Universität ist auf Völkerverständigung, die Förderung ziviler Entwicklungskooperation und die Überwindung des globalen sozialen Gefälles gerichtet.

In diesem Verständnis sollten die Vizepräsident/innen selbstbewußte Akteure in einem kollegialen Präsidium sein.

Hamburg, den 27. April 2010 Golnar Sepehrnia und Olaf Walther

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Banken, Gelächter und Vertrauen
Über ein fortgesetztes Ärgernis

„Humor zahlt sich aus
Kabarettistische Talente sucht die Hypo-Vereinsbank in ihrem Wettbewerb ›Jugend kulturell‹, der mit insgesamt 20.000 Euro dotiert ist. Eine Expertenjury und ein Online-Voting wählen die 20 Teilnehmer aus, die sich für das Finale des Wettbewerbs im November in Hamburg qualifizieren. Bewerben können sich Männer und Frauen zwischen 18 und 36 Jahren bis zum 15. Mai. Details unter: www.jugend-kulturell.de“

Meldung der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“), im Buch „Beruf und Chance/Campus“, Rubrik „Karriere“, 30.4./2. Mai, S. C 4.

 

„Rüttgers: Diejenigen, die mit griechischen Staatsanleihen spekulieren, müssen sich an der Aufarbeitung der Schäden finanziell beteiligen. Am besten erfolgt das freiwillig. Auch die Banken müssen ein Interesse daran haben, dass Vertrauen in sie gesetzt wird.“

Jürgen Rüttgers (CDU), gegenwärtiger Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, im SPIEGEL-Gespräch, Nr. 18/2010, S. 25.

Die internationale Krise ist bei weitem nicht überwunden: Banken, Hedgefonds, Investoren, Ratingagenturen und andere Spekulanten kassieren weiterhin gewaltig durch öffentliche Schulden, Massenentlassungen, mittels Spekulationen auf den Verfall (nicht nur) der griechischen Staatsfinanzen und den Kursabstieg des Euro. Die staatliche Förderbank KfW, die auch sogenannte Studienkredite vergibt, ist in der Lage, den bundesdeutschen Anteil des Notfallplans für Griechenland in der Höhe von 8,4 Milliarden Euro aus ihrer eigenen Liquidität zu erbringen. Dieser Kredit wird ein gutes Geschäft erbringen.

Auf der anderen Seite sinken die Bruttolöhne, die Sozialleistungen, die Studierendenzahlen und die gute Laune.

Dieser Zusammenhang bildet viel Kunststoff für manches Kabarett.

Da aber auch wirkliches Kabarett eine gute Satire ist, ist fraglich, ob etwas Kritisches und damit tatsächlich Humorvolles bei einem diesbezüglichen Wettbewerb der Hypo-Vereinsbank herauskommen soll, denn: „Die Satire, die zur Zeichnung einer Kriegsanleihe auffordert, ist keine. Die Satire beißt, lacht, pfeift und trommelt die große, bunte Landesknechtstrommel gegen alles, was stockt und träge ist.“ (Kurt Tucholsky, „Was darf die Satire?“, 1919.)

Insofern ist – nicht ohne Vorkenntnisse – zu vermuten, daß bei dieser Angelegenheit höchstens kritische Lauheiten, Galgenhumor oder ein Grinselieschen hervorgebracht werden können.

Es sei an dieser Stelle gepfiffen

und getrommelt, daß die Banken mit dem strukturell gierigen Handeln ihrer Akteure selbst zu den Übeln der Welt gehören. Sie erodieren soziale Sicherungssysteme, Arbeitsplätze, Existenzen, Bildungschancen, vernünftige Handlungsmöglichkeiten von Regierungen sowie den solidarischen Sinn des Gemeinwesens.

In diesem Verständnis können wir auf die Satire zurückkommen.

Auf die selbst gestellte Frage, was die Satire dürfe, antwortete Kurt Tucholsky: „Alles.“

Hinzuzufügen ist lediglich: Nur nicht für Banken etc. werben.

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Nach den Wahlen in Nordrhein-Westfalen:
Die Möglichkeiten zur Abschaffung der Studiengebühren sind gewachsen

„Der ganz auf den Ministerpräsidenten zugeschnittene Wahlkampf war ein Mühlstein um den Hals der Partei: Ein geringeres Ansehen genoss vor einer Landtagswahl noch keiner seiner Vorgänger. Und so gering wie seit Jahrzehnten nicht mehr war das Vertrauen in die Kompetenz der Union, die Probleme des Landes zu lösen: Ob Verschuldung des Landes und der Kommunen, Arbeitsmarkt und der trotz beherzten Einsatzes der schwarz-gelben Koalition immer noch als erheblich verbesserungsbedürftig wahrgenommene Bildungssektor, nach fünf Jahren Schwarz-Gelb hatten die meisten Wähler genug davon.“

Daniel Deckers, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 10.5.'10.

 

„Denn die Zeiten fließen, und flössen sie nicht, stünde es schlimm für die, die nicht an goldenen Tischen sitzen.“

Bertolt Brecht, „Volkstümlichkeit und Realismus“, 1938.

Mattschwarz und Neongelb demonstrierten – trotz aller Beherztheit – einen bemerkenswerten Sinkflug. Rüttgers landete unsanft auf der Erde und Westerwelle ging baden.

Neben einem beliebig bezahlbaren Ministerpräsidenten spielten die schlechte Politik der Bundesregierung sowie die Turbulenzen in Griechenland und Europa eine Rolle bei der wachsenden Ungunst von Schwarz-Gelb in der Bevölkerung von NRW und darüber hinaus.

(Unter anderem die katholische Wählerschaft soll der CDU treu geblieben sein – auch so eine Art Sinkflug.)

In dem größten Bundesland der BRD ist aber auch – über die Erosion von Schwarz-Gelb hinaus – eine Mehrheit entstanden, die für die Abschaffung von Studiengebühren, die gemeinschaftliche Schule bis zur zehnten Klasse und für die Beendigung der Atomkraftwerke ist. Diese Mehrheit ist nunmehr (numerisch) mit gut 52% im Düsseldorfer Landtag vertreten.

Damit ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen, die Studiengebühren in NRW wirklich wieder abzuschaffen.

Mit dem Ergebnis dieser Wahl ist gleichfalls die Möglichkeit für einen politischen Kulturwechsel in der Republik entstanden. Käuflichkeit zahlt sich immer weniger aus. Die Verletzung der sozialen und kulturellen Interessen der Mehrheit der Bevölkerung werden im Wahlverhalten geahndet, die vulgäre Wirtschaftsnähe verliert schmerzlich an Zustimmung.

Die Mehrzahl der Wählerinnen und Wähler bevorzugt eine rot-grüne Koalition (44 Prozent) oder ein Regierungsbündnis von SPD und CDU (43 Prozent). Rot-Grün-Gelb (15 Prozent) und Rot-Rot-Grün (14 Prozent) stehen nicht so hoch im Kurs der politischen Gunst.

Wie dem auch sei: Die außerparlamentarischen Bewegungen haben ihre Arbeit nicht verloren. Die Arbeitsbedingungen sind allerdings günstiger geworden. Und: Die Verbesserung der Lebensbedingungen muß jetzt stärker berücksichtigt werden.

Bon.

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Das kulturelle Erbe respektieren
Entscheidungsprozeß zur baulichen Entwicklung der Uni geht in die letzte Runde

„Kein gerechterer Beurtheiler fremden Verdiensts als der philosophische Kopf. Scharfsichtig und erfinderisch genug, um jede Thätigkeit zu nutzen, ist er auch billig genug, den Urheber auch der kleinsten zu ehren. Für ihn arbeiten alle Köpfe – alle Köpfe arbeiten gegen den Brodgelehrten. Jener weiß alles, was um ihn geschieht und gedacht wird, in sein Eigenthum zu verwandeln – zwischen denkenden Köpfen gilt eine innige Gemeinschaft aller Güter des Geistes; was Einer im Reiche der Wahrheit erwirbt, hat er allen erworben. – Der Brodgelehrte verzäunet sich gegen alle seine Nachbarn, denen er neidisch Licht und Sonne mißgönnt, und bewacht mit Sorge die baufällige Schranke, die ihn nur schwach gegen die siegende Vernunft vertheidigt.“

Friedrich Schiller, „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“, Antrittsrede an der Universität zu Jena, 1789.

Die Politik der „Wachsenden Stadt“ hat in den vergangenen neun Jahren – mit Herrn Dräger und Frau Gundelach – systematisch Zerstörung an die Universität gebracht: Die kommerzielle und dafür autoritäre Ausrichtung, Studiengebühren und schlauchende Lernparcours, die administrative Durchsetzung sogenannter kaufmännischer Denk- und Handlungsweise sind Teil des Programms zur vollständigen Unterordnung der Hochschule unter den Druck gewinnbringender Verwertung. Besonders starker Ausdruck dieses schwachen Sinns ist der hartnäckig verteidigte Plan, die Universität ganz oder teilweise in einem teuren und langwierigen Bauprozeß im Hafen neu zu errichten.

Das ist alles in allem ein klar rückwärtsgewandtes Nein zu guten Lern- und Arbeitsbedingungen, klugen Gedanken, perspektivreichen Erkenntnissen und ihrer nach humanistischen Maßstäben nützlichen Verallgemeinerung. Je mehr die Universität nach unternehmerischen Prinzipien umgemodelt wird, desto weniger kann sie zu Wohlfahrt, Frieden und Demokratie beitragen.

Die jetzige Senatorin folgt dabei der schlichten Ideologie, was für die „Wertschöpfung“ (gemeint sind Profite) gut sei, sei auch für die Gesellschaft gut. Unter diesen Bedingungen wird zusehends jeder Fortschritt ein Fortschreiten von der Menschheit weg. Die Universität muß aber unbedingt auf der Seite der universellen Humanität stehen.

Dafür ist ein kritisches Bewußtsein der eigenen Geschichte und eine inhaltliche und soziale Offenheit im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung unbedingt verbunden mit ihrer Sanierung und sozial durchdachten Erweiterung an ihrem Entstehungsort. Hier ist sie mit der Stadt wahrhaft verbunden, dauerhaftes Symbol der demokratischen Anstrengungen von 1918/19 und 1945, konfrontiert mit dem jüdischen Viertel (mit seiner großen Gelehrtengeschichte und den abscheulichen Greuel der Nazi-Zeit) sowie mit der sozialen Bewegung der 1960er Jahre, in deren Folge die Universität zur Demokratischen Massenuniversität entwickelt wurde. Dies ist für keinen Teil der Uni verzichtbar.

Erst die positive Aufhebung dieses Erbes ermöglicht die vernünftige Beantwortung gegenwärtiger Herausforderungen – solidarisch und kooperativ.

Eine Entscheidung des Akademischen Senats am 20. Mai für den Verbleib der Uni in Eimsbüttel wird dies erheblich befördern. Jedes Engagement dafür ist hilfreich.

Die Geschichte ist gegenwärtig.

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"Blut, Schweiß und Tränen"?
Zur verstockten Propaganda in der Krise

„SPIEGEL: Sie haben selbst Einschnitte bei der Kinderbetreuung und bei der Bildung vorgeschlagen – und damit einen Proteststurm in der eigenen Partei entfacht.
Koch: Ich habe offenbar das Privileg, Menschen aufregen zu können. Das nutze ich und sehe im Unterschied zu manchen Kollegen nicht meine Aufgabe darin, Aufregung zu vermeiden.“ (...)
„Wir leben in dramatischer Weise über unsere Verhältnisse. Die Zeit der Behutsamkeit ist vorbei.“

Roland Koch (CDU), Ministerpräsident von Hessen, „SPIEGEL“, Nr. 20/2010, S. 24ff.

 

„Das Interesse braucht ideologischen Schmuck, die Machtpolitik kleidet sich in Messianismus, und was man Propaganda nennt, hat nirgends viel mit Wahrheit zu tun.“

Thomas Mann, „Meine Zeit“, 1950.

Eigentlich wäre es ganz einfach, aus der gesellschaftlichen Sackgasse herauszukommen. Dies sei mit aller gebotenen Behutsamkeit angemerkt.

Man nehme: Steuern von denen, die es haben; zahle Löhne an die, die es nicht haben; ziehe Truppen und Schießgerät – die wir ohnehin nicht brauchen – aus Ländern ab, in die sie nicht gehören; baue Rad- und Schienenwege, Krankenhäuser, Theater und Schulen; setze auf Aufklärung und demokratische Partizipation mündiger Menschen sowie die Freude am Leben. – Dann sind Verzicht, die Angst vor dem nächsten Morgen und die nagende Mißgunst gegenüber den Mitmenschen so überflüssig wie ein zwackender Blinddarm.

Herr Koch dagegen, er sagt es selbst: als Scharfmacher bekannt, verlangt „Blut, Schweiß und Tränen“, also die Verschärfung der Mittel, die in die Krise geführt haben – zur Überwindung der Krise. Das kann kein Mensch gebrauchen, der arbeitet (oder nicht darf), lernt, denkt, zweifelt und im Bewußtsein vernünftiger Lebensumstände kooperativ handelt.

Das aber soll den Menschen ausgetrieben werden, damit sie nur ja nicht auf dumme Gedanken kommen. Das ist der vermeintlich tiefere Sinn der sogenannten Schicksalsgemeinschaft, der sich alle zu unterwerfen hätten, damit Banken, Aktionäre und verängstigte Funktionäre der CDU ihre schädlichen Handlungen unbehelligt von kritischer öffentlicher Wachsamkeit geschäftstüchtig fortsetzen können.

Da aber leider die Einsichten, daß Krieg und Lohn-, Sozial-, Beteiligungs- wie Gedankenverzicht unbekömmlich für das allgemeine bzw. das eigene Wohl sind, sich immer stärker auch politisch Bahn brechen, wird von rechter Seite wieder stärker der Entsagungsmarsch geblasen. Ein klassischer Fall von drohender Propaganda: Wenn Ihr nicht noch mehr verzichtet, wird es Euch noch schlechter gehen.

An dieser Stelle werden nicht nur Schelme schmunzelnd skeptisch.

Besonders Herr Koch und die CDU sind step by step und mehr und mehr dafür bekannt, daß sie unter dem Banner der „Volkspartei“ nach dem Kurs von Wenigen segeln und der Mehrheit weismachen wollen, diese Fahrt sei gut für Alle.

Dabei ist dieses fragwürdige Manöver immer fraglicher geworden.

„Aber der Kapitalismus steckt nicht nur im Sumpf, sondern er produziert Sumpf.“

Bertolt Brecht, „Notizen zu Heinrich Manns ‚Mut‘“, 1946.

Wer widerspricht, hat eine Stimme. Zurück zum Anfang

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Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen!

„Der Gedanke, den wir gedacht, ist eine solche Seele, und er läßt uns keine Ruhe, bis wir ihm seinen Leib gegeben, bis wir ihn zur sinnlichen Erscheinung gefördert. Der Gedanke will Tat, das Wort will Fleisch werden. Und wunderbar! der Mensch, wie der Gott der Bibel, braucht nur seinen Gedanken auszusprechen, und es gestaltet sich die Welt, es wird Licht oder es wird Finsternis, die Wasser sondern sich von dem Festland, oder gar wilde Bestien kommen zum Vorschein. Die Welt ist die Signatur des Wortes.“

Heinrich Heine, Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, 1833/34.

Es ist höchste Zeit für Reformen im besten Wortsinn. Der Akademische Senat (AS) der Universität hat für deren vollständigen Verbleib in Eimsbüttel votiert und dies mit der Forderung nach zügiger Sanierung sowie einer „bedarfsgerechten und geschichtsbewußten“ Bauentwicklung vor Ort verbunden (s.u.). Diese Position ist nun auch gegenüber dem Senat der Hansestadt durchzusetzen.

In der Sitzung des AS hatte die Wissenschaftsbürokratin Gundelach ihre Rückzugslinie abgesteckt: Die „Finanzkrise“ schließe die Vollverlagerung auf die Elbinsel aus. Die Senatorin versprach, für eine bauliche Erweiterung in Eimsbüttel hielte der Senat alle erforderlichen Mittel bereit. Allerdings werde eine Teilverlagerung weiterhin „geprüft“. Hätte sie endlich ein Konzept, würde sie es „gerne“ mit dem Akademischen Senat diskutieren.

Nach zweijähriger Strapazierung jeder humanen und auch finanzpolitischen Vernunft mit surrealen Umzugsplänen, angesichts von 20.700 Unterschriften für „Die Universität soll bleiben“, der Stellungnahmen der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung, der Handelskammer, des Bezirks Eimsbüttel, der parlamentarischen Opposition, nach vier Abendblatt-Umfragen mit je rund 80 Prozent für den Verbleib und angesichts dessen, daß die Universität von Beginn an keine Zerklüftung ihrer Fakultäten im Stadtgebiet wollte, ist diese Ankündigung nichts weiter als eine (ungewollte) Selbstdemontage vor universitärem Publikum. Diesen Eindruck konnte die Senatorin mit dogmatischer Selbstbehauptung gegen den profunden Nachweis der Erweiterungsoptionen in Eimsbüttel durch Bezirksamtschef Torsten Sevecke vertiefen. Dieser hatte auf 100 Jahre gemeinsamer Entwicklung von Quartier und Universität hingewiesen und auch aus dieser Erfahrung den Sinn einer möglichen 100jährigen Fortschreibung dieses Programms begründet.

Der AS brachte die Erfordernisse einer sozial und wissenschaftlich bedarfsgerechten Bauentwicklung unter Aufhebung des kulturellen Erbes der demokratischen Großuniversität argumentativ zur Geltung. Es zeigt sich, daß – in Kooperation mit Planern, Architekten und Bezirk – die Mitglieder der Universität vernünftig engagiert die weitere (bauliche) Entwicklung bestimmen können: Gebührenfrei, kollegial, demokratisch und mit kritischer Rationalität für den humanen Nutzen aufgeklärter Bildung und Wissenschaft. Die Behörde muß nun lernen.

Konservativ ist unzeitgemäß. Wer aus Geschichte nicht lernt, dem graut mit dem Morgen.

Sitzung des Wissenschaftsausschusses der Bürgerschaft

Am 8. Juni 2010 wird dieser sich mit dem einstimmigen Votum des Akademischen Senats für den Verbleib und Entwicklung der Universität in Eimbüttel befassen.

- D O K U M E N T I E R T -

Stellungnahme des Akademischen Senats zur baulichen Entwicklung der Universität Hamburg
vom 20. Mai 2010

Der Akademische Senat begrüßt, dass die Bürgerschaft die bauliche Entwicklung der Universität mit hohen Summen unterstützen wird. In der Debatte zu dieser Entwicklung ist der wissenschafts- und bildungspolitische Bedarf der Universität statt stadtentwicklungspolitischer Erwägungen an die erste Stelle zu rücken. Der Akademische Senat stellt zur baulichen Entwicklung der Universität folgendes fest:

Zur Lage der Universität in Eimsbüttel

Die aufgeklärt bürgerliche Gründungsgeschichte, ihre widersprüchliche Entwicklung im jüdischen Viertel und ein demokratischer Aufbruch mit der Ambition, Humboldt'sche Bildungsansprüche gesellschaftlich zu verallgemeinern, prägen die Entwicklung der Universität und kommen auch baulich zum Ausdruck. Der bewusste Umgang mit dieser Geschichte ist die Basis einer souveränen Entwicklung der Universität in gesellschaftlicher Verantwortung.

Die Universität ist in Stadt und Stadtteil gut gewachsen. Sie liegt zentral, ist hervorragend regional und überregional erreichbar, belebt den umgebenden Bezirk ökonomisch, kulturell und sozial und gedeiht durch die gesellschaftliche Integration ihrer wissenschaftlichen Einrichtungen.

Erfordernisse, die für die Bauentwicklung zu berücksichtigen sind

Angesichts der wachsenden Bedeutung von Forschung, Lehre und Bildung entsprechen die Flächen, wie auch die Stellen und die Mittel, die der Universität zur Verfügung stehen, nicht dem Bedarf. Beispielsweise muss die Universität aktuell Anmietungen aus allgemeinen Wirtschaftsplanmitteln finanzieren, um die derzeit bereits bestehenden Flächenmehrbedarfe abdecken zu können, was den laufenden Betrieb und die positive Weiterentwicklung der Universität bremst.

An einer wachsenden Anzahl von Lehrangeboten sind mehrere Fachbereiche/Fakultäten beteiligt. Derzeit existieren an der Universität rund 180 Studiengänge, die fast sämtlich der Kooperation verschiedener Fächer bedürfen. Davon sind rund 20 hochschulübergreifend und viele weitere fakultätsübergreifend. Um die Studierbarkeit organisatorisch gewährleisten zu können, ist die Universität darauf angewiesen, dass im Regelfall keine Zeiten zum Wechsel des Veranstaltungsortes von mehr als 30 Minuten anfallen. Insbesondere für Lehramtsstudierende ist dies zentral.

Die angestrebte Verstärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit in Forschung und Lehre setzt eine große räumliche Nähe der beteiligten Akteure voraus. Eine wichtige Zielsetzung der Universität ist die Intensivierung der Kooperation mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die zu relevanten Teilen bereits in ihrer Nähe sind.

Für den Alltag von Studierenden und Universitätsmitarbeitern/innen sind soziale und kulturelle Infrastruktur auf dem Campus bzw. in direkter räumlicher Nähe zum Campus (Grünanlagen, Sportanlagen, Kita, Kultureinrichtungen, etc.) nötig, sowie gute regionale und überregionale Verkehrsanbindungen, Ruhe, gute Luft und Erschütterungsarmut. Die dringend erforderlichen Baumaßnahmen sollten insgesamt in einem solchen finanziellen Rahmen liegen, dass sie auch tatsächlich umgesetzt und abgeschlossen werden können. Sie sollten, um den Betrieb möglichst wenig zu belasten, binnen zehn Jahren realisiert werden. Eine weitere Verzögerung des Baubeginns ist für die Universität nicht hinnehmbar.

Zu den Überlegungen bezüglich einer Teilverlagerung

Eine Teilung der Universität würde gewachsene und zu fördernde interdisziplinäre Zusammenhänge gefährden, die Wege unproduktiv verlängern sowie Kommunikation und Kooperation in Wissenschaft und Selbstverwaltung einschränken. Eine Loslösung der Disziplinen voneinander würde die Reflektion der Wissenschaftsgegenstände in ihrer gesamten gesellschaftlichen Tragweite erschweren.

Der Akademische Senat der Universität lehnt daher eine Teilverlagerung ab.

Zum Kleinen Grasbrook als Ort für die Universität

Am Kleinen Grasbrook sind die erforderliche soziale und kulturelle Infrastruktur ebenso wenig in Sicht wie die gewünschte Einbindung in einen Stadtteil. Der Kleine Grasbrook ist verkehrsmäßig nicht adäquat erschlossen und auch nur nach zwei Seiten erschließbar. Die außeruniversitären Kooperationspartner würden in größere räumliche Ferne rücken. Wegen der Hafen- und Industrienähe würde die wissenschaftliche Arbeit durch Lärm, Emissionen und Erschütterungen beeinträchtigt werden. Der Kleine Grasbrook ist hochwassergefährdet und bedürfte erheblicher Tiefbaumaßnahmen, was den Bau verteuern und die Bauzeit verlängern würde, sowie eine ungeplante de-facto-Teilverlagerung zur Folge haben könnte. Der Baugrund steht nicht zügig zur Verfügung und aufwendige Planungs- und Genehmigungsverfahren würden einen Baubeginn außerdem hinauszögern.

Der Akademische Senat der Universität hält daher den Kleinen Grasbrook für die Universität oder Universitätseinrichtungen für ungeeignet und lehnt ihn als Ort dafür ab.

Entwicklung in Eimsbüttel

Keines der für den Kleinen Grasbrook genannten Probleme ist für die Planungen in Eimsbüttel feststellbar. Es sind bereits knapp 70 Prozent der genutzten Flächen der Universität in Eimsbüttel verortet. Weitere Flächen sind in ausreichendem Maß nachgewiesen und schon kurzfristig in unmittelbarer Campusnähe bebaubar. Die Kosten für eine Sanierung und Erweiterung der Universität in Eimsbüttel würden laut vielfältiger Berechnungen mit rund 600 bis 700 Mio. Euro um mindestens zwei Drittel niedriger ausfallen, als realistische Berechnungen für den Kleinen Grasbrook erwarten lassen. Die eingesparten Mittel können sinnvoll für die Universität eingesetzt werden, um hieraus die erforderlichen Sach- und Personalmittel zu finanzieren.

Der Akademische Senat der Universität Hamburg fordert die Bürgerschaft und den Senat der FHH deshalb auf, zügig politisch und finanziell den Weg für die dringend notwendigen Sanierungen sowie für eine bedarfsgerechte und geschichtsbewusste Erweiterung der Universität in Eimsbüttel frei zu machen. Dabei soll die weitere Zusammenführung von universitären Einrichtungen gefördert und Rücksicht auf die Belange der Anlieger genommen werden. Die BWF möge sich deshalb insbesondere dafür einsetzen, dass das alte Fernmeldegebäude in der Schlüterstraße für universitären Gebrauch erschlossen werden kann. Der Bezirk Eimsbüttel möge eine zügige Baurealisierung nach allen Kräften unterstützen. Die Gremien der Universität sollten dabei kontinuierlich einbezogen werden.

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Karl-Theodor zu Guttenberg:
„... das Leben und die Unversehrtheit unser
Soldatinnen und Soldaten im Einsatz ...“

Hamburger Abendblatt: Herr Minister, welcher Krieg ist bedrohlicher: Der Krieg, den islamistische Terroristen gegen unsere Lebensweise führen? Oder der Krieg von Spekulanten gegen unsere Währung?
Karl-Theodor zu Guttenberg: Der Kriegsbegriff passt beim zweiten Feld nicht. Er wird den Zuständen auf den Finanzmärkten nicht gerecht.
Was steht für die Bürger jeweils auf dem Spiel?
Im ersten Feld geht es um unsere Sicherheit und um unser Wertesystem. Beim zweiten steht der Zusammenhalt Europas auf dem Spiel.
Gegen welche Bedrohung sind wir besser gerüstet?
Gegen beide Bedrohungen werden wir nie abschließend gerüstet sein. Beide Szenarien sind Prozessen unterworfen, bei denen man gelegentlich nachsteuern muß.“

Kriegsminister K.-T. zu Guttenberg im Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“, 22./23./24. Mai 2010, S. 4.

 

„Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Kriege getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg.“

Kurt Tucholsky, „Schnipsel“, 1932.

Deutschland im Einsatz? Eine der wirksamsten Sparmaßnahmen – bezüglich Leben, Geld und Nerven – wäre die sofortige Beendigung des Krieges gegen Afghanistan.

Statt dessen hat der Minister „gerade die Anweisung erteilt, weitere Schützenpanzer nach Afghanistan zu schicken.“ Lediglich ein paar „Großprojekte“ „meines Haushaltes“ sollen auf den Prüfstand. Gespart werden solle beim Wehretat nicht, „wo es um das Leben und die Unversehrtheit unserer Soldatinnen und Soldaten im Einsatz“ gehe. Ist aber nicht gerade der Einsatz „unserer Soldatinnen und Soldaten“ lebensgefährlich, unproduktiv und psychisch desaströs – nicht nur und an erster Stelle für die Personen des Militärs?

Ansonsten hält es Herr zu Guttenberg auf allen Kriegsschauplätzen glatt gleich: Man überlasse alles dem freien Spiel der Kräfte – vulgo: dem Recht des Stärkeren – und justiere, reguliere ein wenig nach. Gleichzeitig wird davor gewarnt, Spekulanten, Manager (und den Krieg) nicht allzu abwertend zu betrachten. Eine Begründung wird nicht gegeben.

Dabei liegt mehr und mehr auf der Hand, daß die zunehmend ungehemmten Feldzüge auf den (Finanz-)Märkten die Ursache bilden für alle folgenden Übel bzw. das gesellschaftliche Wohlergehen der meisten Menschen empfindlich einschränken. Auch ein Hedgefonds kann zerstören oder obdachlos machen, und wilde Spekulationen können Staaten in eine tiefe Krise stürzen.

Diese Krise ist nun – immer noch – da. Sie betrifft alle Bereiche der menschlichen Existenz respektive der gemeinschaftlichen Aufgaben für die weitere Entwicklung des internationalen Zusammenlebens.

Deshalb ist es notwendig und sinnvoll, alle Kriege zu beenden, die Spekulationen wirklich hart zu regulieren, Steuern da einzunehmen, wo sie zu holen sind, vernünftige zivile Ausgaben da zu tätigen, wo sie hilfreich sind (Bildung, Gesundheit, Kultur) und insgesamt Hunger und Elend auf der Welt zu beseitigen.

Jeder Euro – auch jeder Dollar oder Yen -, der dem Krieg entzogen wird, kann für das menschliche Wohlergehen eingesetzt werden.

Das ist eine Frage der Vernunft – und derer, die sich dafür einsetzen.

Kein Mensch schläft gerne unter Brücken.

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Was macht eigentlich klüger?
Eine dauerhafte Frage

„FAZ: Gleichzeitig gibt es einen gesellschaftlichen Verteilungskampf um den Bildungseuro. Und die Mittelschicht scheint darin gut aufgestellt zu sein. Das Bafög steigt, die Studiengebühren werden zum Teil wieder abgeschafft und die Stipendien-Programme werden mit Steuergeld ausgebaut.
Schavan: Die Stipendien-Programme helfen gerade den begabten Aufsteigern aus ärmeren Familien. Das ist übrigens auch ihr programmatisches Ziel. Bafög hilft jungen Menschen, sich in ein Studium zu trauen, das sie sonst aus finanziellen Gründen nicht gewagt hätten. Und Studiengebühren sind gerecht, weil Investitionen in die eigene Ausbildung schließlich in aller Regel zu einer erfolgreichen Erwerbsbiographie führen. Ich bin dezidiert gegen ihre Abschaffung.“

Anette Schavan (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“), 30.5.'10, S. 31 (Wirtschaftsteil).

 

„20
Die Ingenieure, die das Fließband legen
Das den Arbeitenden die Lebenskraft entführt
Lob ich des technischen Triumphes wegen.
Der Sieg des Geistes ist's, der mich zu Tränen rührt.“

Bertolt Brecht, „Ballade von der Billigung der Welt“, 1934.

Die Zeit der Krise ist auch die Zeit der offiziellen Beschwichtigungen. So kommt die Aussage, daß Geld allein nicht glücklich mache, eher denjenigen in den Sinn und über die Lippen, die keinem finanziellen Mangel ausgesetzt sind. Den Armen und Ärmeren sind der Fleiß und die inneren Werte zugedacht. Gerstensuppe ist ja auch gut für die Öko-Bilanz. (Aus diesem konstruierten Zusammenhang bezieht das schwarz-grüne Bündnis seinen tieferen Sinn.)

Frau Schavan variiert dieses fürsorgliche Credo zu der Binsenweisheit, daß Geld nicht klüger mache, aber Bildungsinvestitionen nötig seien, weil „unser Wohlstand“ davon abhänge (a.a.O.). Herr Ackermann lächelt.

Ähnlich starrbeinig wie Frau Gundelach – das muß an dem Verein liegen, dem beide angehören – beharrt die Bundesministerin auf dem Erhalt der Studiengebühren, obgleich diese nach und nach wieder abgeschafft werden konnten und nur noch in einer Minderzahl der Bundesländer erhoben werden, da ihre soziale Selektivität bzw. kulturelle Dressurfunktion nachdrücklich kritisiert und empirisch belegt worden sind. Nordrhein-Westfalen ist die nächste Station, wo die Studien-Maut ganz einfach fallen sollte.

Was macht eigentlich klüger?

Ein erster Schritt der Erkenntnis besteht darin, nicht darauf zu beharren, was als falsch erwiesen wurde.

Die gesamte Gesellschaft wird klüger, wenn die (sozialen und kulturellen) Barrieren fallen, die das Lernen behindern.

Die soziale Gemeinschaft wird dann besser, wenn das Wissen der meisten darauf orientiert ist und dafür eingesetzt wird, „die Mühsal der menschlichen Existenz zu erleichtern“.

Das muß den für die Mühsal Verantwortlichen mit Nachdruck und auf Dauer unzweideutig beigebracht werden.

Starrsinn ist erschütterbar. Erkenntnisse entstehen durch Bewegung.

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Haben wir über unsere
Verhältnisse gelebt?
Zu den geplanten Kürzungen

„Wir können nur das ausgeben, was wir einnehmen.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu den geplanten Streichungen im Bundeshaushalt.

 

„Ein Major mit Spazierstock stochert leutselig durch den Park. Er winkte den beiden Soldaten auf der Bank schon von weitem zu, sitzenzubleiben. Da sie miteinander nur ein Bein haben, machen sie von der Erlaubnis Gebrauch.“

Alfred Polgar, „Park“, 1919/1929.

Einsparungen

Die Mehrheit der Bevölkerung hat bislang deutlich unter ihren Verhältnissen gelebt.

Das hindert den BundesaußenGuido respektive den VizeWesterwelle nicht, vollmundig zu erklären, daß jetzt eine Zeit des Sparens angesagt sei.

Solche küchenphilosophischen Erklärungen und Grundsätze sind jedenfalls das rhetorische Blend- und Gaukelwerk, um die politisch gewollten Grausamkeiten vorzubereiten.

100.000 Stellen im öffentlichen Dienst des Bundes sollen bis 2014 gänzlich wegfallen. Streichungen beim Elterngeld sowie von Leistungen bei Hartz-IV-Abhängigen sollen getätigt werden. Ebenso getilgt werden soll beispielsweise der Heizkostenzuschuß beim Wohngeld. Das Soziale bleibt das bevorzugte Gebiet für konservativ-liberale Wilderungen und Verwüstungen.

Statt den Atomstrom auslaufen zu lassen und die üppig einnehmenden Stromkonzerne ohnehin erheblich stärker zu besteuern, sollen den privaten Stromerzeugern eine neue Steuer als Ausgleich für längere AKW-Laufzeiten (wer bezahlt die tatsächlichen Kosten der Entsorgung?) auf Brennelemente erhoben werden.

An eine Beendigung der Beteiligung am Krieg gegen Afghanistan ist nicht gedacht.

Die Steuern für Unternehmen, Vermögen und Banken werden nicht erhöht; Großprojekte werden nicht infrage gestellt; abenteuerliche Finanzgeschäfte sollen nicht reguliert werden; Klientel-(Hotel-)Subventionen sollen bleiben; die Steuerfahndung ist in Bezug auf fette Beute nach wie vor defensiv.

Der große FDP-Vorsitzende behauptet dennoch – von Verstandes Frische unbeirrt–, daß die Zeit, in der Deutschland über seine Verhältnisse gelebt habe, vorbei sei.

Die Krise wird mit den Mitteln behandelt, die sie herbeigeführt haben.

Aus diesem Grunde ist es in hohem Maße unangebracht, an den Stellen zu streichen, zu kürzen und somit zu vernichten, wo das schon vorhandene Elend demzufolge noch größer wird.

Jeder Euro zur Verbesserung des Sozialen, der Bildung, der Kultur und der Gesundheit minimiert die Krise und maximiert das allgemeine Wohlbefinden.

Ist dies nicht der Fall, so sind die Verhältnisse zu ändern.

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Sinnvolle Bewegung in der Krise:
Beenden und neu beginnen!

„Man kann nur ›Aufhören!‹ denken, wenn man dieser Regierung zusieht. Aufhören mit den ewigen Beschimpfungen von ›Wildsau‹ bis ›Gurkentruppe‹, aufhören mit dem Streit um fast jeden Punkt der Regierungsarbeit, von der Wehrpflicht bis zu den Hilfen für Opel, aufhören mit der falschen Ausrichtung eines Sparprogramms, das den Reichen keinen Beitrag abverlangt.“ (...)
„Aber eine Koalition kann nicht anregieren gegen die Zeit, in der sie regiert.“

AutorInnenkollektiv (von Matthias Bartsch bis Steffen Winter) von 12 Personen, „Die Trümmerfrau“ (Titel), „SPIEGEL“ Nr. 24/2010, S. 20ff.

 

„Die Krise besteht gerade in der Tatsache, daß das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann; in diesem Interregnum kommt es zu den unterschiedlichsten Krankheitserscheinungen.“

Antonio Gramsci, „Gefängnishefte“, Heft 3 (1930), „§ 34, Vergangenheit und Gegenwart.“

Die konservativ-liberale Bundeskoalition, die sich selbst bürgerlich nennt, macht zunehmend durch lautes Gezänk von sich reden. Der Kopfpauschalenfreak Rösler beschwert sich gar über den schlechten Umgang unter Regierungsmitgliedern. Die Bundesregierung ist immer weniger in der Lage, politische Handlungsfähigkeit in Zeiten der allumfassenden Krise zu realisieren. Je deutlicher das wird, desto dünner wird das Nervenkostüm der Beteiligten. Im „SPIEGEL“ wird daher gemutmaßt, daß die Wahl des Bundespräsidenten der letzte Tag der schwarz-gelben Koalition in Berlin sein könnte.

Kriege zu beenden, Steuern – wo nötig und möglich – zu erheben, Finanzmärkte zu regulieren, Renten zu zahlen, Gesundheit, Bildung und Kultur zu garantieren – all das bekommen die verantwortlichen Akteure (ob in Hamburg oder im zentralen Berlin) nicht gebacken. Der allgemeine Unmut wächst, die Umfragewerte sinken.

Die neueste Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) belegt, daß sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet. Die Reichen seien immer mehr und immer reicher geworden; die Armen ebenfalls immer mehr und immer ärmer geworden. Das eine bedingt das andere.

Diese Tatsachen gehören zum bitteren Alltag der Republik und werden in starkem Maße auch kritisch wahrgenommen sowie mehr und mehr zum Ausdruck gebracht. Da kommt es nicht gut an, wenn das Sparprogramm der Bundesregierung die strukturell und zusätzlich politisch Benachteiligten gesteigert zur Kasse zwingt bzw. ihnen staatliche Leistungen einschränken will, während beispielsweise die Deutsche Bank in Milliardenhöhe zu den globalen Krisengewinnern gehört.

Immer deutlicher tritt hervor, daß die soziale Ungleichheit die wesentliche Ursache für die meisten gesellschaftlichen Alltagsprobleme ist; daß Kriegsführung und soziale Zerstörung, Arbeitshetze und kulturelle Einschränkungen sowie eine entsprechende Gereiztheit ihre politische Herkunft im neoliberalen Kommando haben.

Dieses Kommando muß schleunigst beendet werden. Die Schere ist zu schließen, das macht einen guten Schnitt.

Das Neue besteht in Frieden sowie Arbeit, Bildung und Kultur für Alle.

Die fortgeführte Erhebung der Studiengebühren ist in diesem Zusammenhang ein böser Witz.

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Was bedeutet eigentlich „Lust auf Erneuerung“?
oder
Abstand ist sinnvoll

„Übrigens...
kommen wir aus den Krisen so schnell nicht heraus. Wir erleben regelrechte Krisenwellen. Mal drohen Banken zu kollabieren, dann ganze Industriezweige und jetzt sind Staaten an der Reihe. Nun sagen die einen, das sei ein natürlicher Vorgang, präsentieren dafür historische Belege und die anderen orakeln, so schlimm sei es noch nie gewesen. Deutungshoheit soll uns an dieser Stelle nicht interessieren, sondern eher zu der Frage überleiten, wie wir etwas Klarheit und Mut für die Zukunft bekommen könnten. Unser Angebot heißt ‚Innovation‘.“

Josef Krieg, „Lust auf Erneuerung“, „Frankfurter Allgemeine hochschulanzeiger/Karriere Studieren“, Juni 2010, S. 3.

 

„Wir haben die Lande gemessen, die Naturkräfte gewogen, die Mittel der Industrie berechnet, und siehe, wir haben ausgefunden: daß diese Erde groß genug ist; daß sie jedem hinlänglich Raum bietet, die Hütte seines Glückes darauf zu bauen; daß diese Erde uns alle anständig ernähren kann, wenn wir alle arbeiten und nicht einer auf Kosten des anderen leben will; und daß wir nicht nötig haben, die größere und ärmere Klasse an den Himmel zu verweisen.“

Heinrich Heine, „Die romantische Schule/Drittes Buch“, 1835.

Es wäre neu, wenn es der „Frankfurter Allgemeinen“ nicht um Deutungshoheit ginge. Die „Lust auf Erneuerung“ ist keineswegs neutral. Frankfurt/M. ist auch die Stadt der Banken. Hier gedeihen geldwerte Gedanken.

Wenn die chinesische Zentralbank den Wechselkurs des Renminbi im Bezug zum Dollar einen Tag lang um lasche 0,4 Prozent steigen läßt, dann reagieren die Börsen beschwipst und die Aktien europäischer Exportunternehmen schnellen in die Höhe. Prost. Das ist die Welt und die Denkungsart von „Karriere Studieren“.

Bei „Innovation“ geht es um Export, d.h. um knallenden Standortwettbewerb. Und um „süßliche Erfolgsschnautzen“.

Mit Erneuerung ist nicht die Beendigung von Kriegen, zivile Konfliktregulierung, Abrüstung, Rüstungskonversion, kulturelle De-Militarisierung; nicht die Beseitigung von Hunger und Elend; nicht die (vorrangige) Entwicklung von regenerativen Energie-Arten; nicht vernünftige Arbeit in diesem Sinne; ebensowenig Bildung, Gesundheit und Kultur für Alle, sondern die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie mit Weltgeltung bzw. die entsprechende Indienstnahme der Hochschulen und auch „ihrer“ Studentinnen und Studenten gemeint.

Dagegen sind immer wieder begründete Ansprüche entwickelt worden, bei denen die „Erleichterung der Mühsal menschlicher Existenz“ im Mittelpunkt der Betrachtungen, Einsichten und Handlungen der Akteure steht.

So besteht nach wie vor ein großer Unterschied zwischen dem Aufreißen und Stopfen von Löchern. Wirft man den Banken das Geld hinterher, schließt man die Museen oder konzentriert sich politisches Handeln hauptsächlich auf die Verbesserung des Allgemeinwohls?

Diese Alternative gilt gleichermaßen für die Hochschulen und alle daran Beteiligten.

Mit ein wenig Abstand zu den bunten Heilsversprechen läßt sich dieser Gegensatz erkennen. Es bleibet dabei: Das Hamsterrad ist kein Fortbewegungsmittel.

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FDP – O, Weh!
oder
Außerparlamentarische
bürgerliche Opposition in spe

„Wir Freien Demokraten nehmen einen neuen Anlauf.“

„Aber wir bleiben bei unseren Themen und unserem Kurs.“

Immer noch: Guido Westerwelle, Vize-Kanzler, Bundesaußenminister, FDP-Vorsitzender nach der Vorstandsklausur „seiner“ Partei.

 

„Die kleinsten Unteroffiziere sind die stolzesten.“

Georg Christoph Lichtenberg, „Einfälle und Bemerkungen“, Heft C, 1772-1773.

In einem Loriot-Sketch läßt Vicco von Bülow den FDP-Vertreter in einer politischen Diskussionsrunde sagen: „Liberal heißt im liberalen Sinne nicht nur liberal, sondern auch liberal.“

Satire und Realsatire kommen einander näher.

Die Basis ist die Grundlage aller Fundamente.

Die neuesten Umfragewerte weisen der unentwegten Zahnärztepartei auf Bundesebene nur noch fünf Prozent der Wählenden zu.

Damit rutscht der Verein des Vulgär-Liberalismus von fast 15 Prozent bei der letzten Bundestagswahl auf ein Drittel des Koalitionsvotums und damit gerade noch über die Parlamentshürde.

Das ist die Strafe der öffentlich gemachten Meinung für ordinären Klientilismus (Hotels und so), die geplante Kopfpauschale im Gesundheitssystem, gewollte weitere Steuerbegünstigungen der strukturell Reichen, die programmatisch fortgesetzte De-Regulierung der Beschäftigungsverhältnisse sowie für allerlei Wischiwaschi.

Dennoch soll dieser offenkundige politische Blödsinn fortgesetzt werden, wie der bockige Chef-Guido nach der Vorstandsklausur der FDP verlauten ließ. Er bleibt, was er ist und die Steuern sollen weiter gesenkt werden. Die unfreien Demokraten stecken in einer tiefen Krise. (Da hocken sie wahrlich nicht allein.) Und das ist gut so.

Die alte Mär, daß Krieg Frieden sei und daß, wenn es einigen wenigen gut ergeht, allen besser gehe, findet immer weniger Glaubhaftigkeit oder gar Zustimmung.

Liberal ist im sozialen Sinne nicht nur nur falsch, sondern auch verkehrt.

Die vernünftige Basis eines menschengerechten Gemeinwesens sind: Eine rein zivile Entwicklung, hart an die Zügel genommene Banken, sinnvolle Arbeit, wirklich bedarfsgerechte Löhne und Sozialleistungen, Bildung ohne Koofmich und Hamsterrad, Kultur frei von Vuvuzelas, kompetente Politiker und Politikerinnen, eine wache, engagierte Bevölkerung – und: weniger Wischiwaschi. Zurück zum Anfang

Wir! Wer?
Ein Einspruch

„Was wir von unserer deutschen Jugend wünschen, ist etwas anderes, als es die Vergangenheit gewünscht hat. In unseren Augen, da muß der deutsche Junge der Zukunft schlank und rank sein, flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl. Wir müssen einen neuen Menschen erziehen, auf daß unser Volk nicht an den Degenerationserscheinungen der Zeit zugrunde geht.“

Adolf Hitler am 14. September 1935, Der Parteitag der Freiheit vom 10. bis 16 September 1935. Offizieller Bericht über den Verlauf des „Reichsparteitages“ mit sämtlichen Reden, München 1935, S. 183.

 

„Die Stimmung von Kriegsnähe, ja Kriegsgegenwart, die das Regime Adolf Hitlers der deutschen Bevölkerung mitzuteilen weiß, stellt eines der wichtigsten Hilfsmittel dar seiner ‚Innenpolitik‘. Man kann ein Volk zwingen, Hunger, Unfreiheit, Willkür, Entbehrungen aller Art hinzunehmen, man kann einen dauernden Ausnahmezustand über das Volk verhängen, das Standrecht einführen und die Konfiskation allen Eigentums,– man kann dem Volke (und gewiß dem deutschen!) Übermenschliches zumuten, sobald man und nur wenn man ihm einzureden weiß, daß irgendein Krieg herrsche, daß es nun einmal gelte zu kämpfen, zu siegen, oder zu sterben.“

Erika Mann, „Zehn Millionen Kinder/Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich“, 1938/1986, S. 143.

Manchmal mag man seinen Augen auf den ersten Blick nicht trauen.

Die Vorankündigung – eigentlich Einschwörung – des „Hamburger Abendblattes“ vom vergangenen Samstag für bzw. auf das Fußball-Länderspiel BRD-Argentinien (s.u.) war unverhohlen kannibalisch.

Man mache die Argentinier nicht spruchüblich zu Hackfleisch, sondern verzehre sie unter Zuhilfenahme besten Stahls (Krupp? Solingen?) „abgehangen“, „zart“ und „saftig“. Der Spielgegner – ein Stück Fleisch. „Wir“ – Messer und Gabel. Das Spiel – Stechen und Schneiden. Das Ergebnis – ein wohliger Rülpser.

Das sei nun also der muntere und harmlose Patriotismus, der, untermalt von grunzenden Stoßlauten (Vuvuzela), allerorten gepredigt wird. Im Vergleich dazu ist das „Wie geht es uns denn heute?“, mit dem die gestrenge Oberschwester morgens um sechs mit dem Fieberthermometer am Krankenbett aufwartet, eine harmlose Angelegenheit.

Der Sinn dieserart archaisch-martialischen Metaphorik ist auf derselben Titelseite unter dem Titel „Schwarz-Gelb will die Kassenbeiträge erhöhen“ zu finden.

„Wir“, die wir mit Messer und Gabel essen können, d.h. BRDeutschland, auch „Schland“ genannt: durch Panzer in Afghanistan „unsere Freiheit am Hindukusch verteidigen“, die hungrigen Banken dreimal täglich füttern, mit Ein-Euro-Jobs Kreativität lernen, fröhlich immer höhere Beiträge zahlen, den Gürtel enger schnallen, das Rauchen (strafbewehrt) einstellen und bei Christian Wulff grau in grau selig einschlafen.

Zur Legitimation dieser einschnürenden Politik tritt zu sommerlicher Zeit an die Stelle von Blut-Schweiß-und-Tränen-Reden die nationale Inszenierung des Fußballs – die Kanzlerin jubelt im abenteuerlichen Afrika wie ein kleines Kind – inklusive solch unappetitlicher Phantasien.

Wenn die Fußballwochen vergangen sind, wird wieder der schnöde Alltag einkehren.

Für das Fußballspiel selbst mag gelten: Der Ball ist rund, und ein Spiel dauert in der Regel 90 Minuten. Sachlichkeit hat auch etwas. Zurück zum Anfang

Die Anstalt oder
Die naßforschen Träume eines Konservativen

„Immer mehr Menschen sind zu doof, um zu arbeiten. Es fehlt an allem: an einer alphabetisierenden Grundqualifikation. Manche können nicht einmal hinreichend mündlich kommunizieren. Das betrifft keineswegs nur Migranten. Es fehlt an den Sekundärtugenden, wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit. Und es fehlen berufliche Qualifikationen. Anders gewendet: Gar nicht so wenige sind nur als Transferleistungsempfänger ‚qualifiziert‘.“

Volker Rieble, „Ertüchtigung der Bildungsverlierer“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 11./12.7.'10, Rubrik „Beruf und Chance“, S. C 2. Der Autor lehrt Arbeitsrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

 

„Die Anstalt dient einem Zweck; Menschen sollen in ihr aufbewahrt, gebessert, geheilt, erzogen, zur Arbeit angeleitet werden.“

Kurt Tucholsky, „Die Anstalt“, 1929.

Wenn man Volker Rieble liest, gehen die Gedanken flugs zu „Leibesübungen“ und Turnvater Jahn: Knieeee beugt!

Und in der Tat – derjenige, der da mit „Arbeitsrecht“ (!) die Köpfe in München verdreht, schlägt allen Ernstes vor, Erwerbslose nach dem VW-Modell „5.000 x 5.000“ kurzfristig „on the job“ anzulernen, damit sie – neben „Fleiß und Ordnung“ – „maßgeschneidert für die Bedürfnisse gerade dieses Arbeitgebers“ sind.

Also: Man beklage die Doofheit der Lohnabhängigen, mache anschließend auf Lesen, Schreiben, Reden, Rechnen – oder gar mündig denkende und handelnde Menschen – einen großen Haufen und empfehle darauf eine Bildungspraxis, die dazu führt, was man eingangs vollmundig als Makel der als doof titulierten Verwertungsobjekte beschreibt. Das ist die Beschwörung eines Teufelskreises.

Das ABC oder Einmaleins dieser Konservativen ist mithin nicht wirklich ein Bildungssystem, das (gemeinsames) Lernen, relevante Erkenntnisse, bedachte Handlungsweisen und auf diese Wege souveräne und verantwortungsbewußte Persönlichkeiten ermöglicht, sondern ein vorbetriebliches und betriebliches Anstaltswesen, das, je nach allgemeiner Konjunktur sowie Willkür der Unternehmensleitungen, allzeit dienstbare Arbeitskräfte erzieht.

Das ist der tiefere Sinn von „Ertüchtigung“.

Aber – wird da nicht gefordert, was ohnehin schon gang und gäbe ist?

Ist der hohe Sockel von Massenerwerbslosigkeit nicht schon eine permanente Drohung Richtung Genügsamkeit?

Haben Ein-Euro-Jobs keckheitsfördernden Charakter?

Sind Studiengebühren ein Mittel der Emanzipation?

Dient der Ba-Ma-Zirkus der Aufklärung und vertieften Orientierung?

Alle diese Missetaten werden zunehmend kritisiert und stehen unter gesteigertem Änderungsdruck. Teufelskreis ade!

Die Alternative ist klar: Frieden, Bildung und Brot für Alle.

Herr Rieble hat einen Zug bestiegen, der schon mehrfach entgleist ist.

Das Gleisbett wird neu verlegt, die Fahrpläne neu geschrieben. Mehr Klugheit wird so auch entstehen.

„Es gehen jetzt viele verkleidete Priester im Volke herum und behaupten, ein geweihter Rosenkranz sei ein Schutzmittel gegen die Cholera.“

Heinrich Heine, „Französische Zustände“, 1832.

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„Alles hat seine Zeit“
Eine Zäsur

„Wer Ole von Beusts Motivation, das hohe Amt wegzuwerfen und vor der Verantwortung wegzulaufen, genauer betrachtet, sieht noch Bedrückenderes. Die Flucht ins Private, das Leben ohne Terminkalender und die angebliche Müdigkeit nach neun Jahren als Erster Bürgermeister und ‚32 Jahren in politischen Ämtern‘, wie er gestern vergeblich um Verständnis werbend anmerkte, lassen sich nämlich in einem Begriff zusammenfassen, der zuletzt aus der politischen Analyse fast verschwunden war: Beusts eigentlicher Rücktrittsgrund ist Politikverdrossenheit. Symbolkräftiger geht es kaum.“

Claus Strunz, „Ein Tritt ohne Zurück“, Leitartikel im „Hamburger Abendblatt“, 19. 7. 2010.

 

„Die Grünen sind bislang mit der CDU gut gefahren und haben schon deshalb keine Not, Schwarz-Grün aufzugeben. Die Angebote der CDU – vor allem vom Bürgermeister Ole von Beust – für eine gemeinsame Politik waren von Anfang an verlockend, auch wenn nicht alle Blütenträume reifen konnten – so bei der Schulreform oder dem am Ende vergeblichen Versuch, das Kohlekraftwerk in Moorburg zu verhindern.“

Frank Pergande, „Es grünt so schwarz – auch ohne Ole“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 19. 7. 2010.

 

„An einem Rausch ist das schönste der Augenblick, in dem er anfängt, und die Erinnerung an ihn.“

Kurt Tucholsky, „Schnipsel“, 1932.

„Politikverdrossenheit“? „Blütenträume“?

Der Kommentator des „Abendblattes“ hält Ole für ein Weichei und nimmt übel, daß der Bursche so einfach von Deck gegangen ist – er ist in einer entsprechenden Reihe nicht der erste – und damit der CDU in Land und Bund geschadet hat.

Der Autor der Frankfurter Zeitung hingegen hält sich mit solchen Wehleidigkeiten nicht lange auf und empfiehlt schlicht machtpolitisch die Fortsetzung von Schwarz-Grün in Hamburg. Dabei bezeichnet er die Grünen als das, was sie de facto sind: als Anhängsel der Konservativen – was sie gefälligst auch bleiben sollen. (Ahlhaus sei gar nicht so schlimm.)

Auf jeden Fall tun sich die der CDU wohlgeneigten Deuter schwer damit, den öffentlichen Akzeptanzverlust bzw. die innere Erosion der konservativen „Volkspartei“ wahrzunehmen.

Schwarze (und Grüne) sind in Hamburg politisch verantwortlich für das Verschenken der Krankenhäuser, die desaströse HSH Nordbank, das kohlige Moorburg, die wunderbar teure „Elbphilharmonie“, das militärfreundliche Tamm-Museum, eingeschnürte zivile Museen, die Studiengebühren, empfindliche KITA-Gebühren etc. pp.

Der Hamburger Senat handelt den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung systematisch zuwider. Darüber ist diese not amused.

Da nimmt es nicht wunder, wenn der mehr und mehr unter Druck geratene Bürgermeister den Füllfederhalter in die Dünen wirft.

Auch der Abstimmungserfolg der Scheuerl-Initiative „Wir wollen Lernen!“ – was eigentlich heißen müßte: Wir wollen brav und erfolgreich sein – geht mit auf diesen Zusammenhang zurück.

Zwar konnten Scheuerl & Co viele Ängste gegen ein teilvernünftiges Projekt (sechs Jahre Grundschule) mobilisieren, aber ebenso wird die gesamte Unzufriedenheit mit der senatlichen Politik in dieser Stadt zu dem Abstimmungsergebnis beigetragen haben.

Alles in allem ist ein kräftiger Politikwechsel (nicht nur) im Stadtstaat Hamburg überfällig geworden.

Die Entwicklung einer Gemeinschaftsschule für solidarisch entwickelte Persönlichkeiten und die Abschaffung der Studiengebühren bleiben nach wie vor richtig.

„Denn der einzelne kann sich mit all denen zusammenschließen, die dieselbe Veränderung wollen, und wenn diese Veränderung vernünftig ist, kann der einzelne sich in einem imponierenden Ausmaß vervielfachen und eine Veränderung erzielen, die viel radikaler ist, als es auf den ersten Blick möglich erscheint.“

Antonio Gramsci, „Gefängnishefte“, Heft Zehn (1932-35), § 54 „Einführung in das Studium der Philosophie. Was ist der Mensch?“

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Die Causa Ahlhaus: Ein „Hardliner“ für die Sicherung der politischen Macht

„Es geht um die Machtfrage in einer Stadt, die strukturell links ist und in der sogar rechnerisch in der Bürgerschaft die Linken aus SPD, GAL und Linkspartei eine Mehrheit hätten.“

Frank Pergande, „Diese Stadt kann so erbarmungslos sein“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 25.7.'10, S. 3.

 

„So muß Ahlhaus bei jeder Entscheidung abwägen, wem er mehr gefallen will: dem Koalitionspartner oder den konservativen Kreisen der örtlichen Union, die ihn bisher für ihren Mann hielten.“

Gunther Latsch/Cordula Meyer, „Der geschmeidige Hardliner“, „SPIEGEL“ 30/2010.

 

„Der Zweck ist immer, dem Volk etwas zu nehmen: hier seine geistigen Mittel, die Machtmittel sind; an anderer Stelle seine Waffen im Wirtschaftskampf; bis man allen endlich den letzten Rest der persönlichen Selbstbestimmung entzieht. Dann bleiben allenfalls die Guthaben bei den Sparkassen zu stehlen, und auch das wird nicht versäumt.“

Heinrich Mann, „Verfall einer geistigen Welt“, 1934.

Christoph Ahlhaus (CDU), amtierender Innensenator, der sich seine Privatvilla nahe der Elbe für eine Million Euro auf Staatskosten sicher machen ließ; Sympathisant und Förderer einer schlagenden Verbindung in Heidelberg, Befürworter des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren, Überwachungsfetischist (Video etc.) und Vertreter einer restriktiven (letztlich rassistischen) Asylpolitik hat ein geschlossen rechtes Weltbild, Verbindungen zum rechten Rand der Gesellschaft und soll seitens der CDU zum nächsten Bürgermeister der Stadt gemacht werden.

Die CDU war noch nie aufgeklärt und fortschrittlich und hatte stets Verbindungen zum äußerst rechten (politischen) Rand dieser Gesellschaft.

So ging der gehende Ole v. Beust 2001 skrupellos eine Koalition mit dem Rechtspopulisten Ronald Schill („Richter Gnadenlos“) ein; so war Roger Kusch („lächelnde Guillotine“), Parteifreund des bald ehemaligen Bürgermeisters, von 2001-2006 ein berüchtigter Justizsenator, gründete zur Bürgerschaftswahl 2008 die rechte Partei „Heimat Hamburg“ und versuchte sich nach der erfolglosen Kandidatur weiterhin antihumanistisch in aktiver Sterbehilfe.

Die CDU erodiert seitdem. Die GAL bestieg im Bündnis mit diesem konservativen Haufen einen lecken Kahn.

Spätestens jetzt ist die Zeit für eine andere, bessere und auf diese Weise neue Politik und Kultur in dieser Stadt gekommen.

Es geht dabei um menschenwürdige und lebenswerte, solidarische und soziale, heitere und demokratische Lebensverhältnisse in einem reichen aber durch große soziale Ungleichheit geprägten Bundesland.

In diesem Sinne und zu diesem Zwecke kann und sollte jegliches Engagement für Frieden, Bildung, Arbeit und Kultur fortgesetzt werden.

Insbesondere für die Hochschulen gilt: Die Uni-Verlagerung konnte verhindert werden, die vernünftige Entwicklung am historisch gewachsenen Ort ist erforderlich; die Studiengebühren stehen auf der Kippe; Bachelor und Master müssen einer starken und echten Reform unterzogen werden; die demokratischen Beteiligungsstrukturen stehen vor einer Erweiterung; die Wissenschaften müssen kooperativer und dem Allgemeinwohl nützlicher werden.

Ein anderer Senat ist fällig.

„Bildung umfaßt: eine allgemeine Kenntnis des Menschlichen; das Vermögen, sich zurückzuversetzen in die Geschichte und das Werdende mitzufühlen; eine sprachliche Kultur, die sich daraus ergibt, daß die Dinge des Intellekts als Tatsache und als Macht anerkannt werden.“

Heinrich Mann, „Verfall einer geistigen Welt“, 1934.

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Über und unter den Verhältnissen
oder Das Eiapopeia vom Verzicht

„Die Klientel ist reich genug, eine halbe Million Euro für ein Auto auszugeben. Haben Sie es mit altem oder neuem Geld zu tun?
Sowohl als auch. Zu uns kommen Persönlichkeiten, die in ihrem Leben etwas geschafft haben: Das erstreckt sich vom amerikanischen Unternehmer über den deutschen Mittelständler, der sich für sein Lebenswerk belohnt, bis zum jungen Chinesen, der mit 28 sein Vermögen gemacht hat. Der Rolls Royce ist ein Symbol des Erfolgs: Ich zeige damit, dass ich dort bin, wo ich immer hin wollte.“

Torsten Möller-Ötvös, Chef von Rolls Royce im Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“), 1.9.'10, S. 27.

 

„Wir können und dürfen nicht weiter über unsere Verhältnisse leben.“

Der scheidende Bürgermeister Ole v. Beust in seiner Regierungserklärung vom 16.6.'10 nach der Haushaltsklausur des Hamburger Senats.

 

„Der Mensch hat zwei Beine und zwei Überzeugungen: eine, wenns ihm gut geht, und eine, wenns ihm schlecht geht. Die letztere heißt Religion.
Der Mensch ist ein Wirbeltier und hat eine unsterbliche Seele, sowie auch ein Vaterland, damit er nicht zu übermütig wird.“

Kurt Tucholsky, „Der Mensch“, 1931.

Wer hat in seinem Leben etwas geschafft?

Wenn man kein chinesischer Jungmillionär, kein (US-)amerikanischer Alt-Reicher, nicht ein stolzer deutscher Mittelständler, der sich selbst beschenkt, ist, so fragt man sich manchmal, wo das Geld geblieben ist, was unsereiner bislang weder hatte noch jemals haben wird:

Wir haben – mal wieder – über unsere Verhältnisse gelebt.

Mit unschuldsvoller Trauermiene wird uns – kurz vor der Rücktrittsankündigung – deutlich zu machen versucht, daß der Gürtel noch ein, zwei Löcher enger geht. (Zwar beteuerte der Bürgermeister in seiner Rede, daß er dafür wirken wolle, daß der Spitzensteuersatz minimal wieder angehoben werde – aber nu is ja nich mehr.)

Die öffentlichen Haushalte, auch der in Hamburg, sind ja gerade wegen der Senkung der Spitzensteuern, der Kriegskosten, infolge von teuren Prestige-Objekten, wegen der hohen Massenerwerbslosigkeit, der „Bankenrettung“ und weil Privatisierungen öffentlichen Eigentums (mittel- und langfristig) mehr kosten als sie einbringen, schwach.

Da soll nun mit denselben dummen Mitteln und „Argumenten“ die Krankheit geheilt werden, mit denen sie herbeigeführt wurde: mit Einsparungen (Personal, Gehälter, Arbeitsverdichtung, Reduzierung öffentlicher Leistungen, Gebührenerhöhungen), die man gerecht verteilen wolle, damit die Akzeptanz dafür vorhanden sei.

Ist sie aber nicht. O. v. B. hat seinen Abschied gegeben, weil immer weniger Menschen, die so regiert wurden, davon überzeugt sind, daß dieses unsoziale Glatteis sinnvoll ist bzw. in ihrem Interesse liegt.

Das schert die hamburgische CDU anscheinend (scheinbar?) wenig.

Mit Christoph Ahlhaus schickt sie einen numerisch jungen konservativen Hardliner in das staubige Rennen um das Amt des Bürgermeisters, der beispielsweise für richtig hält, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen. (Er hat dem Koalitionspartner GAL Gespräche bei Grillfesten dazu angeboten. Sie haben, soweit berichtet wurde, nicht stattgefunden.)

Der Lack aber ist ab, der Kitt sichtbar brüchig geworden.

Eine andere Politik ist möglich geworden, ein anderer Senat ist dafür nötig.

Das Außerparlamentarische verliert dadurch und zu diesem Zwecke nicht an Bedeutung.

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Was ist „Grün“?
Eine Beleuchtung

„Wenn wir jetzt ohne Not aus der Koalition herausgehen, sind wir nicht mehr verlässlich. Dann wird die CDU nach der nächsten Wahl mit uns kein Bündnis mehr eingehen.“

GAL-Vorsitzende Katharina Fegebank beim „Grünschnack“ in Hamburg-Wandsbek am 6.9.'10, zit. nach: „Hamburger Abendblatt“ 7./8.9.'10, Jule Bleyer/Philip Volkmann-Schluck: „Die Angst der GAL vor Neuwahlen“, S.7.

 

„Ferner muß ein Fürst immer der Tüchtigkeit zugetan sein und die Hervorragenden jedes Faches belohnen. (...)
Außerdem muß er zu geeigneten Zeiten im Jahr das Volk mit Festen und Schauspielen unterhalten.“

Niccolò Machiavelli, „Der Fürst“, 21. Kapitel „Was ein Fürst tun muß, um zu Ansehen zu kommen“; geschrieben 1513, erschienen 1532.

Es gibt Senatsposten, öffentlich turtelnde Ehemänner – und auch das „Alstervergnügen“...

Im symbolischen Bereich gilt Grün als Hoffnung, Glück und Dresdner Bank/Commerzbank („Mit dem grünen Band der Sympathie“).

Im idealen politischen Fall, der bislang noch nicht eingetreten ist, ist Grün: Pazifismus, Ökologie, „Dritte-Welt“-Solidarität, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, die Erweiterung demokratischer Teilhabe, die Verwirklichung individueller Freiheitsrechte sowie mindestens die Ahnung, daß Krämer und Lehrer in ihrem Interesse der Fabrikarbeiterin und dem Supermarktkassierer näher stehen als der Dame Schaeffler und dem Herren Horch.

Da dies nicht so ist, ist die GAL als Schoßhündchen der CDU beispielsweise mitverantwortlich für die Studiengebühren, und die grüne Vorsitzende in Hamburg macht sich Sorgen darüber, ob die ehemaligen Alternativen weiterhin der CDU als folgsame Koalitionspartnerin gelten. Wie weit frau doch sinken kann...

Allerdings liegt mittlerweile von zwei Gründungsmitgliedern der GAL für die Mitgliederversammlung am 22.8. ein Antrag vor, in dem die Auflösung des Parlaments, Neuwahlen und – wenn möglich – eine Koalition mit der SPD gefordert werden. Immerhin.

Anlaß und Grund dafür ist die Nominierung von Christoph Ahlhaus zum Bürgermeisterkandidaten durch die CDU. Er habe, so einer der Antragssteller, „ein konservatives bis reaktionäres Profil“. Richtig gesprochen.

Wenn die Grünen so etwas wie ein realistisches Erinnerungsvermögen an ihre eigenen Gründungsursprünge haben und mit offenen Augen durch die wirklich existierende Welt gehen, stimmen sie diesem Antrag zu.

Laut Meinungsumfragen befürwortet die Mehrheit der Hamburger Bevölkerung dieses Vorhaben. Die CDU soll nicht mehr.

Die außerparlamentarischen Bewegungen werden ohnehin weiter ihre Arbeit machen.

Demokratie ist, wenn keine Möglichkeit höher geschätzt wird, als selber einzugreifen.

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Unhaltbar
oder
Schwarz-Grün als negativer Faktor in der Krise

„Ich warne vor einer Diskussion über Lohnerhöhungen zur Unzeit. (...) Es dürfen keine zusätzlichen Kosten auf die Unternehmer zukommen – weder durch höhere Steuern und Abgaben noch durch unangemessene Lohnerhöhungen.“

Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), im „Abendblatt-Interview“, 14./15.8.'10, S.4.

 

„Das, was der Mensch tut, unter welchen Umständen auch immer, ist der Ausdruck seiner selbst oder seiner Klasse – rein sachlich ist es nicht. Er ist nie unsachlicher, als wenn er glaubt, nur sachlich zu sein.“

Kurt Tucholsky, „Die Zeit“, 1930.

Es ist erwähnenswert: Hamburg gilt als die Stadt der Millionäre (ein paar Milliardäre sind auch dabei). Daneben existieren gut 1,7 Millionen Einwohner.

Schon Heinrich Heine meinte, daß in dieser Stadt nicht der blutige Macbeth herrsche, sondern Banko.

Damit nun ja kein Vertun aufkommt, soll – geht es vorrangig nach den Wünschen der Handelskammer sowie der CDU – der schwarz-grüne Senat unverdrossen fortgesetzt werden.

Zu diesem Zwecke wandert der bald ehemalige Bürgermeister auf Sylt und danach in „die Wirtschaft“; soll der Freund einer schlagenden Burschenschaft sein Nachfolger werden; muß die berüchtigte Herlind Gundelach auch noch die Kultur übernehmen; wird für das Wirtschaftsressort ein älterer Herr mit Millionärs- und Schillhintergrund aus dem Hut gezogen; sollen die Grünen ein paar Fahrradwege repariert bekommen – und alles sei in Butter (Forelle blau).

Dabei läuft eigentlich gar nichts rund. Die Liste der treffenden Schlagworte ist lang: Sie fangen mit Arbeit und Armut an, gehen mit HSH Nordbank weiter und enden mit Zeitdiebstahl (auf Straßen. Ämtern und Behörden sowie durch BaMA). Schwarz-Grün steht für viel Verdruß, weil der Mensch sich quälen muß.

Da dies so ist – Herr Ahlhaus kann derweil so viel Kreide verzehren, bis es unbekömmlich wird -, ist in Geist und Tat alles angemessen, was diese Zustände möglichst schnell beendet. Wenn Banko da ist, sollen auch alle etwas davon haben.

Die aktuelle politische Konstellation ist fragiler, als sie erscheint. Je mehr davon überzeugt sind, desto eher lassen sich neue, andere und bessere Bedingungen schaffen.

Die Richtung der erforderlichen Änderungen ist eigentlich klar:

„Da fällt mir auf Anhieb eine Menge ein: Abschaffung der Hartz-IV-Gesetze und der Leiharbeit; Schluss mit der Zulassung befristeter Arbeitsverträge und der Entwertung der Arbeitslosenversicherung; Einführung flächendeckender Mindestlöhne und Verbindlichkeitserklärungen bestehender Tarifverträge, Verbot der Aussperrung; einheitliche Tarifverträge im öffentlichen Dienst; Ende der Privatisierungen; Verpflichtung der Bahn, Post und Telekom, anständige Löhne zu bezahlen. Und so weiter.“

Lucas Zeise, „Gratulation, Herr Hundt!“, „Financial Times Deutschland“ („FTD“), 17.8.'10, S. 24.

Und: Die Abschaffung der Studiengebühren ist auch ein direkt wirksames Konjunkturpaket(chen).

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„So wahr mir Gott helfe“
Hamburg hat ein neues kurioses Regierungskabinett

„Nun haben wir einen neuen Bürgermeister, mal sehen, was der dazu sagt.“

Jens Kerstan, GAL-Fraktionschef, in der Sitzung der Bürgerschaft vom 25.8. auf den Antrag der LINKEN hin, eine Bundesratsinitiative zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes und der Reichensteuer zu unternehmen. Ole v. Beust hatte dies in seiner Regierungserklärung vom 16.7. angekündigt.

 

„Gewisse Errungenschaften der Menschheit sind, einmal gemacht, nicht rückgängig zu machen, es sei denn, man entschließe sich, in einem Zustande der Unwahrheit und der gewaltsamen Verleugnung innerer Realitäten zu leben, was überhaupt kein Leben oder ein närrisches Leben ist.“

Thomas Mann, „Ansprache an die Jugend“, gehalten anläßlich der 400-Jahr-Feier des Katharineums zu Lübeck, 7.9.1931.

Die Meinungsbilder der (hamburgischen) Bevölkerung zeigen an, daß die Mehrheit der Regierten nicht damit einverstanden ist, daß der neue Bürgermeister Christoph Ahlhaus (sehr CDU, katholisch) keine Regierungserklärung abgegeben hat;
nicht mit der Erhebung von Studiengebühren und auch nicht mit der Erhöhung der KiTa-Gebühren einverstanden ist;
die Krankenhäuser sowie die Elktrizitätsversorgung der Stadt lieber in öffentlicher als in privater Hand sähe;
den Elberhitzer und Luftverdunkler Moorburg sehr skeptisch betrachtet;
den notorischen Lügenbaron und Spender an Schill Ian Karan nicht für einen geeigneten Wirtschaftssenator hält;
lieber Neuwahlen und eine rot-grüne als eine schwarz-grüne Regierung hätte.

Dagegen ist Christoph Ahlhaus, der eine gewachsene politische Affinität zum rechten politischen Rand der Gesellschaft hat, mit komfortabler Mehrheit im Parlament zum neuen Bürgermeister der Stadt gewählt worden. (Mindestens zwei Abgeordnete der Opposition haben ihn mit gewählt – wahrscheinlich zwei verwirrte Angsthasen aus den Reihen der SPD, die sich davor fürchten, allzu schnell in die Verantwortung des Regierungshandelns zu kommen.)

Das ganze steife politische Ritual hat – ohne Regierungserklärung und Aussprache, ohne Vorstellung der Kandidatinnen und Kandidaten und möglichen Nachfragen – inclusive der Bestätigung aller Senatorinnen und Senatoren knappe zwei Stunden gedauert.

Im Anschluß an die Wahlen fanden lediglich die jeweiligen Vereidigungen statt. Bis auf Till Steffen (GAL, Justizsenator) und Krista Goetsch (GAL, Schulsenatorin) haben alle die freiwillige Beschwörungsformel „So wahr mir Gott helfe“ gesprochen. Sie glauben wahrscheinlich, daß sie diese Hilfe nötig haben.

Nun ist es an der Bevölkerung, für das einzutreten, was sie für richtig hält und sich gegen das zu wenden, was sie für falsch hält.

(Den Fraktionsvorsitzenden wurden durch das Bündnis für Gebührenfreiheit fast 31.400 Unterschriften für die Gebührenfreiheit des Studiums übergeben.)

„Und in der Tat haben jederzeit die Verantwortlichen auch nur dann die Konsequenz aus ihrer Übernahme der Verantwortung ziehen müssen, wenn das Volk Geschichte gespielt hat.“

Alfred Polgar, „Verantwortung“, 1919.

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Gemeinsames Flugblatt des Bündnis für Aufklärung und Emanzipation!:
FachschaftsBündnis, harte zeiten und Liste LINKS

Aufheben, was liegengeblieben ist

„Eine Partei, die neben dem Glauben an die Gesetze auch den Adel verwerfen würde, hätte sofort das ganze Volk hinter sich, aber eine solche Partei kann nicht entstehn, weil den Adel niemand zu verwerfen wagt.“

Franz Kafka, „Zur Frage der Gesetze“, 1920.

Mag wirklich niemand Falsches verwerfen?

Zur (Un-)Zeit werden progressive Veränderungen von manchen mehr gefürchtet als das Unheil. Das ist ein gewichtiger Grund, warum die schwarz-grüne Koalition reanimiert werden konnte.

Gleichwohl haben die Bürgerinnen und Bürger der Stadtrepublik und darin die Universität mit engagierter Partizipation am öffentlichen Leben positiven Einfluß: In der Bürgerschaftssitzung wurde nach der gespenstischen Senatswahl (ohne Programm, ohne Vorstellung der Kandidaturen, ohne Aussprache – ein erstarrtes Ritual) über die bauliche Entwicklung der Universität diskutiert. Erfreulicherweise ist gar zur CDU durchgedrungen, daß die Uni das alte Fernmeldeamt in der Schlüterstraße schnell braucht, um sich vor Ort vernünftig zu erweitern. Die GAL hat betont, daß der Beschluß des Akademischen Senats für die geschichtsbewußte Sanierung und stadtteilintegrierte, demokratisch realisierte Uni-Entwicklung ausschlaggebend war, die Verlagerung abzulehnen.

Das ist löblich, denn der Akademische Senat hat sich auch etliche Male gegen Studiengebühren ausgesprochen – somit ist also lohnend, den Druck auf die Regierung zu erhöhen, damit dieses falsche System durch eine öffentliche Bedarfsfinanzierung der Universität ersetzt wird. (Bewegung, AS und Uni-Leitung sollten erneut in dieselbe Richtung wirken. Die parlamentarische Opposition ist hier auch mit von der Partie.)

Die Gebührenfreiheit, die am 25.8.2010 gegenüber der Bürgerschaft mit der Übergabe von 31.378 Unterschriften durch Studierende gefordert wurde, ist ein notwendiger Beitrag zur Herstellung demokratischer Verhältnisse und wissenschaftlicher Souveränität an der Universität, denn als „Lenkungsmittel“ sind die Gebühren gegen Kritik, Partizipation und soziale Offenheit gerichtet. Das sollte auch bei der dringenden Novellierung des Hamburgischen Hochschulgesetzes (HmbHG) zur Geltung gebracht werden. Auf Basis der Stellungnahmen aus Studierendenschaft, Fakultäten und Personal müssen darüber hinaus – die Behörde will alle mit minimalen Partizipationszugeständnissen auf Institutsebene abspeisen – die Forderungen nach Abschaffung des autokratischen Rats der Manager (Hochschulrat), nach Beschlußkompetenzen für gewählte Gremien und nach Überwindung der konkurrenzverschärfenden Out-Put-Doktrin intensiviert werden.

Auch die Studienreform für eine Erneuerung wissenschaftlichen und sozial verantwortlichen Lernens ist eine gemeinsame Angelegenheit der Universität, die aus den Fachbereichen heraus gemeinsam öffentlich artikuliert werden muß. Sämtliche Restriktionen müssen fallen. Freie Seminarwahl sowie keine Gängelung durch Module und Regelstudienzeiten sind Möglichkeiten wissenschaftlichen Lernens, die neu erstritten werden müssen. Insbesondere die Zulassungsbeengung zum Studium und zum Master muß überwunden werden, denn von diesem künstlich geschaffenen Nadelöhr geht ein garstiger Konkurrenzdruck aus, der Mündigkeit, Solidarität und Kritik erschwert. Eine universitätsweite offene Aussprache zu Inhalt, Art und Weise sowie Form der Wissenschaften steht auf der Tagesordnung.

Es ist offenkundig, daß die Regierungskoalition Mühe hat, arbeitsfähige Senatoren zu finden. Bundesweit verlassen konservative Politiker das Schiff, daß sie selbst leck geschlagen haben. Es kann daher als mutig gelten, wenn Herlind Gundelach die maximal anderthalb letzten Jahre ihrer Amtszeit dafür nutzt, bisher nicht Realisiertes zu wagen.

Die Mitglieder der Universität sind nun gefragt, dem Bedürfnis nach Verbesserungen verstärkt Ausdruck zu verleihen. Was anders werden soll, liegt in den Händen derer, die dies erkennen, wollen und mitteilen.

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Wir – Ihr, Sie
Der amtierende Bürgermeister und das Große und Ganze

„Also halten Sie trotz der Wahl in 18 Monaten am Spardruck fest?
Ich glaube, die Menschen wissen sehr genau, dass der Senat sparen muss. Wir werden zwar keinen Beliebtheitspreis gewinnen, wenn wir die Sparmaßnahmen im Einzelnen darlegen. Es wird viel Ärger in der Stadt geben, es wird viel Kritik geben. Mein Anspruch ist, das so gerecht und nachvollziehbar wie möglich zu machen. Ich will diese Stadt so regieren, dass die Leute am Ende sagen: Er hat zwar Dinge gemacht, die ich nicht gut fand, weil ich selbst betroffen war, aber im Großen und Ganzen wird die Stadt ordentlich und verantwortungsvoll regiert. Daran führt auch kein Weg vorbei.“

Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) im Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“, 4./5.9.'10, S. 9.

 

„›Wir haben den Krieg nicht gewollt. Wir stehen auch heute noch auf dem Standpunkt, daß die sogenannten Sieger uns schmählich überfallen haben und daß alles Unrecht auf ihrer Seite ist. Wir haben niemals...‹ Wir?
Ach, bitte: Ihr.“

Kurt Tucholsky, „Wir“, 1920.

Die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ ist ein Propagandainstitut von Unternehmensverbänden. Die „Wirtschaftswoche“ ein Wochenblatt, das seinem Namen entspricht.

Beide haben nun eine Untersuchung vorgelegt, nach der Hamburg im Wirtschaftsranking der Bundesländer – trotz Krise und alledem – weit vorne liegt. Die Wirtschaft brummt, die Schornsteine rauchen.

Der schwarz-grüne Senat und sein Bürgermeister aber wollen sparen.

Das soll hauptsächlich über die Personalkosten geschehen (außer bei der Polizei). An der Erhöhung der Kita-Gebühren wird festgehalten. Die Studiengebühren sollen bleiben. Mit der Schließung von kulturellen Einrichtungen (Theater, Museen) ist, wenn der Senat so gelassen wird, wie er will, zu rechnen. Die Uni, entgegen dem angemeldeten Bedarf, soll den Gürtel noch enger schnallen: „Auch die Universität wird schauen müssen, wo sie manche Strukturen effizienter gestalten kann.“

Es ließe sich also sagen: Die Erde ist ein Jammertal, bewacht von Polizei.

In Frage gestellt sind beispielsweise nicht die „Elbphilharmonie“, das Tamm-Militär-Museum, die „Hafen City Universität“; die öffentlichen Kosten für die Ramsch-Spekulationen von Banken; die systematische Steuernachlässigkeit gegenüber dem Kapital – sondern die klassisch nützlichen Aufgaben des Allgemeinwohls wie Bildung und Kultur. Alle gegenteiligen Beteuerungen sind offenkundige Heuchelei.

Überdies sollen in der Verwaltung weniger Menschen die gleiche Arbeit tun, also höherer Belastung ausgesetzt werden. Sorry, aber wenn das Große und Ganze es verlangt?

Dieser Senat verstößt also fortgesetzt willentlich und wissentlich gegen das Allgemeinwohl respektive die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung sowie gegen Maßstäbe gestalterischer und ökonomischer Vernunft, denn wer die Grundlagen des Gemeinwesens zerstört, untergräbt die Entwicklungsgrundlagen der meisten Menschen und gehört somit auch nicht in die Regierung.

Es wird viel Ärger in der Stadt geben, es wird viel Kritik geben.

Selbst nur weitere 18 Monate sind zu lang für diesen politischen Mißstand.

„Denn ich wünschte, daß wir die Reeperbahn, nachts um halb eins, so ansehen, wie man gesellschaftliche Vorgänge jeder Art nun einmal ansehen soll: sachlich, kühl, möglichst unromantisch – klar.“

Kurt Tucholsky, „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“, 1927.

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Konservativ ist nicht nur konservativ, sondern auch konservativ
Eine ernste Humoreske

„CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe räumte ein, die Union müsse genauer sagen, ‚dass viele konservative Überzeugungen – Wertschätzung für Ehe und Familie, klarer Einsatz für innere und äußere Sicherheit – uns allen gemeinsam am Herzen liegen‘.“

Claudia Kade, „CDU macht gegen Rechtspartei mobil“, „Financial Times Deutschland“ („FTD“), 13.9.2010, S. 10.

 

„Als der Intendant wenige Minuten nach zwei in sein Studio kam, war der Bur-Malottke-Vortrag eben angelaufen: ...und wo immer, wie immer, warum immer und wann immer wir das Gespräch über das Wesen der Kunst beginnen, müssen wir zuerst auf jenes höhere Wesen, das wir verehren, blicken, müssen uns in Ehrfurcht vor jenem höheren Wesen, das wir verehren, beugen und müssen die Kunst dankbar als ein Geschenk jenes höheren Wesens, das wir verehren, entgegennehmen. Die Kunst...“

Heinrich Böll, „Doktor Murkes gesammeltes Schweigen“, 1955.

Was liegt uns eigentlich am Herzen? Wovor müssen wir uns in Ehrfurcht beugen?

Die Umfragewerte für schlechte Politik sinken. Die CDU kämpft mit sich und ihrer Linie. Da muß doch etwas im Busch stecken.

Der Herr Sarrazin ist häßlich vorgeprescht und wird zweimal zurückgepfiffen (Bundesbank und SPD). Da ist etwas in Bewegung gekommen.

Auf der gesellschaftspolitischen Agenda für notwendige Änderungen stehen eigentlich ein paar vernünftige Wohltaten wie die Beendigung von Kriegen, die angemessene Erhöhung von Löhnen, das Einschränken des Unwahrheit-Sagens, die Rückverstaatlichung öffentlichen Eigentums (Krankenhäuser und Elektrizitätswerke) sowie auch die Abschaffung der Studiengebühren.

Da aber die Atomkraftwerke länger strahlen, die Kriege weiter geführt, die Sozialleistungen stärker eingeschränkt werden sollen, muß man sich etwas einfallen lassen.

Und damit der Lümmel Bevölkerung nicht zu frech werde, wird munter von Faulheits-, Dummheits-, Gefräßigkeits- und Gebärfreudigkeitsgenen fabuliert und das Vaterland, darin KinderKücheKirche, beschworen. Das ist der simple Sinn manch aufgeregt entfachter Debatten. Wer Seinesgleichen bekämpft oder sich in die Ödylle beschränkt, ist genügsam und läßt „die da Oben“ in Ruhe.

Da dem aber nicht so sein muß, wird deutlich, wie sehr Frieden, Lohn, Brot und Kultur für Alle ein Erfordernis sind bzw. erreicht werden können.

Der erste Schritt für die Verwirklichung von tatsächlichen Verbesserungen besteht darin, das Geschwätz Geschwätz sein zu lassen. Klarheit entsteht durch Wind und Sonne.

Und was die Lebensart anbetrifft:

„Sie sind jetzt 70 und so aktiv wie eh und jeh. Sie könnten sich längst aufs Golfspielen beschränken. Was treibt Sie?

Wer nur Golf spielt, fällt bald tot um. Da nehme ich lieber regelmäßig neue Platten auf.“

Jazz-Pianist Herbie Hancock im Interview mit Christoph Dallach, „KulturSPIEGEL“ September 2010, S. 46.

Wir sind gespannt. (Lieber zweimal „Watermelon man“ hören als einmal Frau Steinbach mit der Deutschlandhymne.)

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„Professionelles Regieren“
oder
Der Schwips der hochprozentigen Grünen

„Diejenigen, die heute bei uns neu anfangen, starten unter völlig anderen Voraussetzungen als die Gründergeneration. Wir haben auf der Straße protestiert, wir haben im Parlament opponiert, wir haben in einzelnen Sektoren der Politik regiert. Jetzt schicken wir uns an, auch als führende Regierungspartei gestalten zu wollen. Wir rücken in eine andere Verantwortung, dazu brauchen wir einen umfassenden Gesellschaftsentwurf und gute Leute, die das ganze Spektrum an Fragen abdecken, die man für professionelles Regieren braucht.“

Renate Künast, Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, im „SPIEGEL-Gespräch“, „SPIEGEL“ Nr. 38/2010.

 

„7
Die Volksvertreter, die den hungrigen Wählern
Versichern, daß es durch sie besser wird
Ich nenn sie gute Redner, sag: Sie haben
Gelogen nicht, sie haben sich geirrt.“

Bertolt Brecht, „Ballade von der Billigung der Welt“, 1934.

Nicht links, nicht rechts; nicht Oben, nicht Unten; nicht progressiv oder konservativ, nicht Krieg oder Frieden, sondern: „Professionell“. (Wie der Papst?)

Überall, wo die Grünen in jüngerer Vergangenheit mitregiert haben oder mitregieren, bedeutet diese Tatsache Kriegführung, Sozialabbau und teure Großprojekte (in Hamburg z.B. Moorburg und „Elbphilharmonie“). Diese „Realpolitik“ legitimiert Frau Künast gegenüber der Kritik der Grünen Jugend gar mit der 11ten Feuerbachthese von Karl Marx: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“

Wenn wir einmal von der Frage absehen, ob die grüne Politikerin eine Philosophin ist, kommt es tatsächlich darauf an, die Welt zu verändern, statt sie lediglich besser zu verwalten: Kriege sind zu beenden, Truppen abzuziehen, die Rüstungsproduktion ist zivil umzuwandeln. Sozialleistungen müssen ihren Namen verdienen und repressionsfrei sein. Bildung ist gebührenfrei, kooperativ, in gesellschaftlicher Verantwortung und emanzipatorisch zu gestalten. Demokratie ist etwas anderes als die Erlangung von mehr oder minder gut bezahlten Posten. Die Übereinstimmung von Ökonomie und Ökologie ist nur durch die politische Opposition zu den privaten Monopolen zu erreichen. Und gesellschaftliche Handlungsfähigkeit ergibt sich weniger aus der demoskopischen Konjunktur als vielmehr aus klaren Zielen im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung.

Zwar sagt Frau Künast der schwarz-gelben Bundesregierung in Sachen Atomsauereien den Kampf an, verliert aber über das peinliche Schwarz-Grün in Hamburg kein Wort.

Auf die grüne Vollmundigkeit ist also kein Verlaß.

Die Töchter und Söhne, gleich welcher Generation, sind weitgehend in den Gegebenheiten angekommen.

Sie brauchen nach wie vor von außen höhere Ansprüche, um halbwegs wieder zu Vernunft zu gelangen.

Dieses Unbehagen erfordert Richtung, Artikulation und gemeinsames Handeln.

Ein Papst ist schon zuviel.

„Alle haben die vage Intuition, daß sie, indem sie aus dem Katholizismus eine Lebensnorm machen, fehlgehen, wofür jedenfalls spricht, daß niemand sich an den Katholizismus hält, auch wenn er sich Katholik nennt.“

Antonio Gramsci, „Gefängnishefte“, Zehntes Heft (1932-1935), § 54 „Einführung ins Studium der Philosophie. Was ist der Mensch?“.

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Die Zerstörung der Kultur
oder
Der Senat läßt einiges fahren

HA: Dann gibt es aber keine Planungssicherheit mehr.
Stuth: Ja klar. Sicherheit ist immer das Bequemste. Ich habe den Eindruck, dass Kreative nicht nur auf Bequemlichkeit gucken.“

Kultursenator Reinhard Stuth im Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“, 24.9.'10, S. 17.

 

„Dauer! Endlich Dauer nach all dem greuelvollen und unnützen Widerstand gegen die Wahrheit! Damit eine Gesellschaft ehrenvoll dauert, muß sie die Macht des Wortes kennen.“

Heinrich Mann, „Die Macht des Wortes“, 1935.

Der muntere Zwischendurchbürgermeister Ahlhaus hat seinen eigenen Geschmack: Wegen seiner einer werden die Reiterstaffel und das Musikcorps der Polizei kürzungspolitisch nicht behelligt. Dazu stelle man sich noch ein paar Bierchen plus fröhliche Gesänge unter Männern vor – schon ist ein besonderer Heidelberger Abend perfekt.

Stuth, der Herr mit der Stubenfliege, ist ein braver Diener seines Herrn: Die finanziell, baulich und kulturpolitisch fragwürdige Elbphilharmonie wird unbeirrt durchgezogen; das Tamm-Militaria-Museum gilt als natürlich; der spezielle Kulturhaushalt bleibt eine (verkleinerbare) Marginalie.

Das Schauspielhaus soll eigentlich so gut wie gar nichts mehr aufführen können; die Privattheater (beispielsweise Ernst-Deutsch-Theater) sollen nicht mehr strukturell, sondern nur noch projektgefördert werden – die noch einzuführende Kulturtaxe (wer denkt dabei nicht an Strandkorb und Sand zwischen den Zähnen?) diene hauptsächlich der Eventkultur. Das Altonaer Museum (gegründet 1901, gut beleumundet wegen seiner museumsdidaktischen Konzeption) soll für eine geringe Sparsumme verrammelt sein.

„Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode.“

(William Shakespeare, „Hamlet“, 1602.)

Die konservative, GAL-seits abgenickte, Kulturkonzeption entspricht in den Grundlinien dem Bachelor-/Master-System: Man reduziere – für die Menge – die Kosten und die Sitzplätze, schaffe ihr – der Menge – ein zweifelhaftes Vergnügen, symbolisiere nach außen, daß alles in Ordnung sei bzw. so und nicht anders gewollt werde; der kleineren Zahl biete man Hürden vor den Vielen und bessere Aussichten, und symbolisiere ebenfalls nach außen, daß man damit beste Qualität biete. (Gegen Gerüche gibt's Parfum, wider die Sorgen Likör.) Obwohl längst gescheitert, wird diese Tollheit fortgesetzt.

Vernünftig, aufgeklärt, weitblickend, allgemeines Wohl fördernd, erfreulich und akzeptabel ist irgendwie anders.

Deshalb haben auch alle ehemaligen Leiter des Schauspielhauses zum Widerstand gegen diesen Unsinn aufgerufen.

Dem ist nur zuzustimmen und zu entsprechen.

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Jakobinersperling